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Wie bauen wir endlich nachhaltiger, Amandus Samsøe Sattler?
Als DGNB-Präsident kämpft er für ressourcenschonenderes Bauen. Als Architekt steckt er selbst in der Zwickmühle zwischen Kosten, Auflagen, Bauherrenanforderungen und Ressourceneffizienz.
Wie kriegt man all das zusammen? Ist nachhaltiges Bauen nicht ein Widerspruch in sich? Prof. Amandus Samsøe Sattler, Gründungspartner von Allmann Sattler Wappner Architekten, ist da pessimistisch und hoffnungsvoll zugleich.
 
Das Nahversorgungszentrum Schwanthalerhöhe vor…
… und nach der Revitalisierung durch Allmann Sattler Wappner Architekten
 
Prof. Samsøe Sattler, stimmt der Eindruck, dass bei Bauherren momentan „schnell und günstig“ gefragter ist als „qualitätsvoll und ein bisschen teurer“?
Ja, leider. Wenn Bauherren von Mehrkosten hören, werden von ihnen kostentreibende Nachhaltigkeitsanstrengungen reflexartig wieder zurückgenommen. Die hehren Ziele, die man am Anfang noch vereinbart hatte, gehen im Planungsprozess oft verloren.
Bauen versiegelt Flächen, frisst enorme Ressourcen und ist im Ergebnis für mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Die Fakten sind altbekannt. Warum bauen wir nicht (endlich) nachhaltiger?
Weil nur wenige mitmachen wollen. Unsere Gesellschaft ist getrieben von Marktwirtschaft, Kapital und Wachstum. Das passt nicht zur Nachhaltigkeit. Außerdem erfordert nachhaltiges Bauen einen höheren Aufwand bei Planung und Bauen. Hinzu kommt, dass viele nicht wissen, wie es geht, und deshalb konventionelle Bauweisen vorziehen, die sie auch von der Kostenseite besser einschätzen zu können glauben. Last but not least: es gibt keine Standards für nachhaltiges Bauen, dafür aber viele gesetzliche Anforderungen, die vernünftigem und angemessenem Bauen im Wege stehen.
All das klingt wenig optimistisch - und trotzdem haben Sie sich zum DGNB Präsidenten wählen lassen. Oder gerade deshalb?
Ich bin sehr optimistisch, dass wir besser werden können und freue mich darüber, dass die DGNB einen Architekten zu ihrem Präsidenten gewählt hat. Die DGNB hat ja noch nie so viel Zuspruch erfahren wie heute, das Interesse an nachhaltigem Bauen war noch nie so hoch. Ich finde es spannend, dass der Verein alle Stakeholder der Baubranche als Mitglieder hat – Planer, Investoren, Industrie und Bauwirtschaft. Wenn wir bis 2030 die Bauwende schaffen wollen, können wir es nicht alleine in unserer Architektenblase, sondern nur gemeinsam mit allen zusammen schaffen.
Gelungene Revitalisierung eines Büro- und Geschäftsgebäudes aus den 1970er Jahren: das Allmann Sattler Wappner-Projekt in der Münchener Stuntzstraße
 
Warum sind die Jahre bis 2030 in der Baubranche so entscheidend?
Weil wir jetzt direkt handeln müssen. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass wir Zeit hätten. Woher auch? Wir haben jetzt den hohen CO2-Ausstoß, der tragischerweise auch immer noch steigt. Deshalb müssen wir jetzt radikal an seiner Reduktion arbeiten, und zwar vor allem mithilfe der Nutzung des Bestands. Wenn wir Bestand erhalten, verbrauchen wir weniger Energie und Ressourcen und emittieren weniger CO2. Selbst mit noch so klimapositiven Neubauten werden wir die Klimawende nicht schaffen, denn sie machen nur acht Prozent des Immobilienbestands aus. Deswegen müssen wir an den Bestand ran.
Glaubt man Luisa Ropelato von „Architects for Future”, dann beginnt das Dilemma bereits im Studium: „Wir lernen in der Ausbildung fast ausschließlich, neu zu bauen. Nicht, wie Bauen im Bestand funktioniert, nicht, wie man kreislaufgerecht konstruiert und nicht, welche Materialien klimafreundlich sind.“
Sie hat völlig recht. Die Hochschulen agieren weitgehend noch im Neubauentwurf. Wir können und müssen aber unsere Ausbildungsprogramme ändern. Dieses Semester betreue ich an der Fachhochschule Augsburg ein Projekt, das unter dem Begriff Kreislaufwirtschaft steht. Die Studierenden lernen, mit gebrauchten Materialien zu entwerfen. Motto: Design follows availability. Von solchen Projekten brauchen wir mehr in der Ausbildung.
Angenommen, Sie würden morgen Bundesbauminister. Was wären übermorgen Ihre ersten drei Maßnahmen?
Ich würde alle Gesetze revidieren, die vorschreiben, den Gebäudebestand auf Neubaustandards zu ertüchtigen. Momentan ist die Ertüchtigung eines Bestandsgebäudes ja häufig teurer als Abriss und Neubau, weil Altbauten dieselben Standards erfüllen sollen wie Neubauten. Heute müssen wir bei jedem Dachgeschossausbau das gesamte Treppenhaus brandschutzmäßig ertüchtigen und verbrauchen dafür viel Geld und Energie. Warum aber soll etwas, das für fünf Stockwerke einwandfrei funktioniert hat, nicht auch für sechs Stockwerke taugen? Ich würde daher eine Umbauordnung erarbeiten, die sich wie beim Denkmalschutz primär auf den Bestandserhalt fokussiert.
Das wäre Gesetz Nr. 1. Zwei weitere hätten Sie als imaginärer Bundesbauminister noch frei.
Ich würde versuchen, die ungebremste Flächenversiegelung zu stoppen. Neue Wohngebiete im Speckgürtel, während die Dorfzentren verwaisen, riesige Gewerbegebiete, die, um ein paar Euro in die Gemeindekasse zu spülen, ausgedehnte Flächen beanspruchen und auf ewig versiegeln, das alles können wir uns nicht mehr leisten. Und schließlich würde ich die Abbruchgenehmigungen mit Auflagen versehen: Wer ein altes Haus abreißen will, müsste zunächst einmal nachweisen, dass das alte nicht mehr nutzbar ist. Wenn ich in Architekturwettbewerben mitbekomme, was da abgerissen werden soll, um Neubauten Platz zu machen, läuft es mir mitunter kalt den Rücken hinunter.
Zentrum für empirische Bildungsforschung der Universität Tübingen (Umnutzung eines Bestandsgebäudes)
Selbstgenutzter Bestand: Allmann Wappner GmbH sind in einem umgenutzten Münchener Fabrikgebäude zuhause
 
Apropos Nachhaltigkeit: Sie und Ihre beiden Gründungspartner haben mehr als zwei Dutzend Jahre erfolgreich zusammengearbeitet. Wie kriegt man das hin?
Wir drei haben sehr unterschiedliche Interessen, Fähigkeiten und Herangehensweisen. Man könnte uns als Kopf, Hand und Bauch beschreiben. Das ist das Geheimnis unseres Erfolgs.
Der Architekturkritiker Klaus-Dieter Weiss ortete in der Architektur von Allmann Sattler Wappner drei Konstanten: klare Linien, leichte schwebende Baukörper und einfache Materialien. Fühlen Sie sich da treffend charakterisiert?
Was mir in seiner Aufzählung fehlt, ist der klare, substanzielle Kontextbezug unserer Entwürfe und das stete Hinterfragen gestalterischer und typologischer Konventionen. Erwähnen sollte man auch unsere präzisen und prägnanten formalen Konzepte, sowie den minimalistischen Einsatz von Materialien.
Voller Durchblick: Amandus Samsøe Sattler in der ebenso umstrittenen wie vielgelobten Herz-Jesu-Kirche
 
Ein paar fixe persönliche Fragen zum Schluss, die wir grundsätzlich allen Interviewpartnern und -partnerinnen stellen. Bitte spontan und ohne viel Nachdenken beantworten. Los geht’s!
Das wollte ich als Kind werden:
Das weiß ich nicht mehr. Als Jugendlicher wollte ich Kunst studieren.
Der beste Rat meiner Eltern:
Sei dankbar.
Jemand, von dem ich enorm viel gelernt habe:
Ich lerne jeden Tag ganz viel von ganz vielen Menschen.
Mein verkanntestes Talent:
Keines, ich kann meine Talente glücklicherweise alle ausleben.
Etwas, mit dem ich auch meinen Unterhalt verdienen könnte, sollte es als Architekt nicht mehr klappen:
Als DJ. Ich liebe und sammle Musik.
Eine Idee, die ich eines Tages definitiv noch umsetzen werde:
Beruflich: Ein Haus nur aus gebrauchten Bauteilen bauen.
Privat: Mir einen Flügel besorgen und wieder Unterricht nehmen.
Der für Sie als Architekten aktuell inspirierendste instagram- oder LinkedIn Account?
Da muss ich passen.
Mein guter Rat an jeden, der/die es als Innenarchitekt zu etwas bringen will:
Denke radikal, fordere Bauherrn und Mitarbeiter, sei fleißig.
 
PROF. AMANDUS SAMSØE SATTLER
war neben Prof. Markus Allmann und Prof. Ludwig Wappner der dritte Kopf von Allmann Sattler Wappner Architekten. Das 120 Mitarbeiter-Büro wurde unter anderem durch das Haus der Gegenwart, die Herz-Jesu-Kirche (beide München) und das Dornier-Museum in Friedrichshafen bekannt. Amandus Samsøe Sattler wird das Büro, das seit Januar 2022 unter allmannwappner firmiert, zum Jahresende verlassen. Der Architekt lehrt unter anderem an der Internationalen Hochschule IU in Berlin und ist seit 2020 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Nach den Prinzipien der DGNB e.V. sind bislang in rund 30 Ländern mehr als 7.000 Bauprojekte nachhaltig geplant und zertifiziert worden. 2021 hat die DGNB ein neues Zertifizierungssystem für nachhaltige Baustellen und Rückbau vorgestellt, das als Planungs- und Managementtool bei der Qualitätssicherung und Risikominimierung auf der Baustelle helfen soll.
 
Text:
Harald Willenbrock

Fotos:
Portrait Prof. Amandus Samsøe Sattler © Ulrike Myrzik | NVZ Schwanthalerhöhe s/w: zur Verfügung gestetllt von Prof. Amandus Samsøe Sattler | NVZ Schwanthalerhöhe 4c © Brigida González | Geschäftsgebäude Stuntzstrasse München © Brigida González | ZEB Universität Tübingen © Forbes | Massie Studio Büro ASW-Architekten © Brigida González | Portrait Prof. Amandus Samsøe Sattler in der Herz-Jesu-Kirche, München © Sven Jürgensmeier
 
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