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Wie werden wir künftig arbeiten, Céline Sicking?
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Wofür braucht es überhaupt noch Büros? Warum ist Desksharing kein Kostensenker? Und welchen Mehrwert müssen Architekten Bürogebäuden einbauen, damit sie auch morgen noch gebraucht werden? Die Architektin Céline Sicking (combine Consulting) begleitet Firmen wie LinkedIn, Gasag und Vodafone bei der Planung ihrer Arbeitsplätze. Als Vermittlerin zwischen Architekten, Entwicklern und Nutzern weiß sie: wenn das Büro eine Zukunft haben will, muss es sich neu erfinden.
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Arbeiten à la combine: Open Space-Arbeitsplätze mit Schreinermöbeln (Bildmitte) für kürzere und Fokusboxen (links) für längere Gespräche
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Céline Sicking, wir führen dieses Interview nicht persönlich, sondern virtuell und per Teams. Bedeuten digitale Kollaborationstools wie dieses nicht die programmierte Arbeitslosigkeit für Büroplanerinnen wie Sie?
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Nein, denn Teams & Co sind ergänzende Werkzeuge. Corona hat uns nicht nur gezeigt, wie wertvoll sie sein können, sondern auch, wo ihre Grenzen liegen. Für Büroplanerinnen wird es daher auch in Zukunft noch genug zu tun geben.
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Wofür genau brauchen wir künftig noch das Büro?
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Für Aufgaben und Zwecke, die sich je nach Branche, Unternehmen und Mitarbeiterin ganz unterschiedlich sind. Nehmen Sie uns: Mit Planern, Bauherren und Nutzern können wir zwar gemeinsam virtuell auf Pläne schauen – wenn es aber um Bemusterung, um Oberflächen, Texturen und Materialien geht, müssen wir sie ganz real anschauen und begreifen. Das gleiche gilt für spontane Ideen: Alles, was nebenbei, ungeplant, zufällig und im Vorbeigehen entsteht, findet digital nicht statt. Spontane Kommunikationen sind aber häufig die kreativsten. Das Büro brauchen wir daher weiterhin auch für die Co-Kreation.
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Nun zeigen aber Umfragen, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Home Office während der Pandemie schätzen gelernt haben und nicht unbedingt zurückwollen. Stirbt das Büro aus, weil ihm die Büroangestellten abgehen?
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Jeder von uns hat seine oder ihre ganz unterschiedlichen Bedürfnisse, die zu Hause erfüllt werden können – oder eben auch nicht. Ich persönlich beispielsweise lebe alleine und finde daheim die Ruhe und Konzentration, die ich für meine Aufgaben brauche. Dafür fehlt mir aber der spontane Austausch mit Kolleginnen. Kollegen mit kleinen Kindern hingegen können sich in ihren eigenen vier Wänden oft gar nicht zurückziehen, um in Ruhe arbeiten zu können. Wenn Mitarbeitende nicht zurück ins Büro kommen wollen, liegt der Fehler meist in der Bürokonzeption, die keinen erkennbaren Mehrwert zum Home-Office bietet. In Büros kommt ja ein Riesenhaufen von Individuen zusammen. Als Planerinnen müssen wir verstehen lernen, wie sie arbeiten, welche Bedürfnisse die unterschiedlichen Mitarbeiterinnen haben und was ein Büro für sie leisten kann und muss.
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Wie häufig stoßen Sie und Ihre Kollegen heute noch auf Bürowelten, die aussehen, als wäre „Stromberg“ die Designvorlage gewesen?
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Viel zu häufig! Aber für uns ist das von Vorteil, denn eigentlich möchte ja niemand mehr so arbeiten. Und da kommen wir ins Spiel.
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Geordneter Rückzug: Separierte Fokusthemenboxen gehören zum Open Space wie Grünpflanzen und Teeküche
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Mit combine agieren Sie an der Schnittstelle zwischen Bauherren und Nutzern auf der einen und Architekten auf der anderen Seite. Wozu braucht es ihre Profession eigentlich, schließlich planen doch auch Architekten ganz ordentliche Büros?
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Architekten betrachten vor allem den Gebäudekontext und planen Gebäude und ihre Kubaturen. Wir hingegen tauchen in die Innenräume ein. Wir sehen uns dabei als Nutzerversteher, -berater und umsetzerinnen und -umsetzer und haben dafür ein sehr diverses Team aus Architektinnen, Bauingenieuren, Psychologen, Soziologinnen und anderen Professionen an Bord. Wir können Büroplanungen daher aus unterschiedlichsten Perspektiven betrachten und zwischen Planern und Nutzern vermitteln. Aber es kommt noch etwas Anderes hinzu: Architekten bauen ja häufig für einen Projektentwickler oder Vermieter und haben gar keinen direkten Kontakt zu den späteren Mieterinnen. Mitunter steht bei der Planung ja noch nicht einmal fest, wer die Flächen später nutzen wird – in dem Fall haben Architektinnen nicht einmal eine Chance, das Gebäude spezifisch für den späteren Nutzer zu planen.
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Sie werden geholt, wenn die Entwurfsplanung bereits steht.
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Mitunter werden wir bereits bei Architektenwettbewerben hinzugezogen und können dort bereits Einfluss nehmen. Meist aber erhalten wir einen offenen Büro-Grundriss und bewegen uns innerhalb der Gebäudekubatur. Häufig geht es auch um Umplanung bestehender Gebäude.
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Rauer Open Space: Aufstockung einer ehemaligen Bank im Rohbau...
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Ein aktuelles Beispiel, bitte.
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Für ein Biotech-Unternehmen, das in Berlin in ein ehemaliges Bankgebäude einziehen wird, haben wir die ursprüngliche Mieter-Ausbauplanung verfeinert und spezifiziert. Wir haben für den Kunden ein Arbeitswelten- und Design-Konzept erarbeitet, das derzeit umgesetzt wird. Weil für diese Nutzertypologie vertrauliches Arbeiten wichtig ist, haben wir unter anderem die Schallschutzanforderungen hochgeschraubt. Während der Corona-Zeit haben wir das gesamte Projekt dann noch einmal überarbeitet, weil offensichtlich wurde: wenn wir wollen, dass Mitarbeiterinnen vom Home Office ins Büro zurückkehren, muss das Büro einen Mehrwert bieten, der über den eigenen Schreibtisch hinausgeht.
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Wonach bemisst sich der Mehrwert eines Büros?
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Mehrwert heißt unter anderem, dass sich im Büro für jede Tätigkeit ein adäquater Raum finden lässt. Die Bedürfnisse sind hier stark abhängig von dem, was Unternehmen, Abteilungen und Mitarbeitende brauchen. Um sie zu ergründen, führen wir ganz zu Anfang jedes Projekts ausführliche Interviews, in denen wir auch die Kultur der Organisation kennenlernen. Stellt sich heraus, dass nicht jeder Kollege jeden Tag einen Schreibtisch braucht, nutzen wir die freiwerdende Fläche beispielsweise für Phoneboxen, Projekt- Workshop- und Rückzugsräume – darunter auch für solche, die sich nicht buchen lassen, auf dass sich auch für spontane Gespräche immer ein Platz findet. Bei dem erwähnten Kunden haben wir das oberste Stockwerk als Work-Café mit Lounge-Möbeln, Küche und großem Community-Table eingerichtet, das allen Mitarbeitenden zur Verfügung steht.
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... und als Visualisierung. Im Work Café im 7. Obergeschoss werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten, plauschen und sich erholen
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Dafür müssen sich Mitarbeiter von ihrem persönlichen Schreibtisch verabschieden – und damit etwas, das vielen heilig ist.
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Desksharing-Konzepte funktionieren natürlich nicht bei jedem Kunden und bei allen Arbeitsweisen. Grundsätzlich aber hat niemand etwas davon, jedem Mitarbeitenden einen eigenen Schreibtisch zu geben, wenn künftig vielleicht 20 bis 30 Prozent von ihnen aus dem Home Office arbeiten und ihn daher gar nicht brauchen – mal ganz abgesehen von jenem Belegschaftsanteil, der im Urlaub oder krank ist. Wechseln wir hingegen zu Desksharing-Konzepten, können wir die gewonnenen Flächen nutzen und den Raum mit Mehrwert ausstatten. Und trotzdem findet jeder Mitarbeitende einen Arbeitsplatz, wenn er oder sie ins Büro kommt.
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Bitte spontan und in Kürze: Drei Merkmale, an denen wir künftig ein gutes Büro erkennen.
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Erstens: Dass es hybride Besprechungen ermöglicht, also Räume, in denen Leute aus dem Home Office oder anderswo digital hinzugeschaltet werden können. Zweitens: Dass es analoge Räume ohne Bildschirme und Netzanschluss gibt. Gerade weil wir heute den ganzen Tag vor Bildschirmen sitzen, kann es sehr inspirierend sein, mal ohne all das zu sein und konzentriert mit Papier zu arbeiten. Drittens: Dass Unternehmen und Marke klar erkennbar sind, dass es Identifikation schafft, dass Mitarbeitende sich in ihm wohlfühlen und gern im Büro arbeiten. Denn sonst könnten sie’s ja auch zu Hause tun.
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Arbeiten mit Ausblick: Plätze für temporäres Arbeiten in einem Wallauer Unternehmen (Planung: combine consulting)
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Wie lautet die verbreitetste Fehlannahme in puncto Büro bei Arbeit- und Auftraggebern?
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Dass Desksharing gleichbedeutend mit Flächeneinsparung sei. Desksharing heißt ganz einfach, ungenutzte Flächen sinnvoller zu nutzen und Mehrwerte zu schaffen.
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Und worin besteht bei Ihren Planungspartnern, den Architekten, der hartnäckigste Mythos in puncto Büro?
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Im Irrglauben, dass wir nicht am gleichen Strang ziehen würden. Ich bin ja selbst Architektin und habe in klassischen Architekturbüros gearbeitet. Daher weiß ich, dass es bei vielen Kollegen zu wenig Offenheit für Arbeitsfelder gibt, die jenseits des traditionellen Büros liegen. Dabei arbeiten wir doch alle mit dem gleichen Idealismus an den gleichen Qualitätszielen.
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Was hat Sie bewogen, aus einem Architekturbüro in die Unternehmensberatung zu wechseln?
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Unter anderem das unangenehm enge Korsett der Normen, Zwänge und Kostenvorgaben. Als Architektin kämpfen Sie ja für Qualität, sind aber gleichzeitig auch Dienstleisterin, die mit den verfügbaren Budgets auskommen muss, auch wenn Sie gegen persönliche Überzeugungen verstoßen.
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Ein Beispiel: Für mich gehören viele Wärmedämmverbundsysteme mit zum Schlimmsten, was Architekten einer Fassade antun können. Letztlich klebt man damit Sondermüll an die Hauswand. Und dennoch entscheidet man sich häufig für eine WDVS-Lösung statt für ein zweischaliges Mauerwerk oder Holzbau, weil man mit dem Kostenrahmen klarkommen muss. Die ursprünglichen Visionen und Architekturkonzepte enthalten selten solche umstrittenen Materialien, aber der Kostendruck zwingt Architekten häufig dazu, diese einzusetzen. Das wollte ich nicht mehr tun müssen.
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Ihr Vorgängerunternehmen bei combine, das Quickborner Team, hat Anfang der Sechziger Jahre den Begriff der Bürolandschaft geprägt. Ist es nicht verrückt, dass jahrzehntealte Ideen immer noch aktuell sind?
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Landschaft ist ja ein Überbegriff für eine veränderliche Topographie, in der unterschiedliche Funktionen zusammenkommen. Und die Landschaften, die wir vor 70 Jahren geplant haben, sind andere als jene, die wir heute entwerfen. Insofern ist das überhaupt nicht verrückt, im Gegenteil: Gut möglich, dass wir auch in 70 Jahren noch Bürolandschaften bauen. Damals wie heute wissen wir, dass es das eine perfekte Büro nicht gibt. Wenn wir glaubten, die Formel geknackt zu haben, liefe bei uns definitiv etwas falsch.
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Zum Abschluss noch ein paar fixe Fragen (bitte direkt und ohne viel Nachdenken beantworten):
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Das wollte ich als Kind werden:
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Als Kind mochte ich Kochen, Putzen und Malen. Wenn es einen Job gäbe, der alles vereint: das wäre meiner gewesen.
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Der beste Rat meiner Eltern lautete:
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Immer freundlich „Guten Tag“ zu sagen. Gemeint war: In jede Interaktion offen hineinzugehen und allen Menschen den gleichen Respekt entgegenzubringen.
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Jemand, von dem ich enorm viel gelernt/mitgenommen habe:
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Ich lerne durch Interaktion, also jeden Tag durch meine Familie und meine Freunde.
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Drei inspirierende instagram-accounts, denen ich folge:
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_germany, the_80s_interior, sosbrutalism
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Mein verkanntestes Talent:
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Gastgebersein. Ich bewirte gerne Gäste.
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Etwas, mit dem ich meinen Unterhalt verdienen könnte, sollte es als Architekt mal nicht mehr klappen:
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Wenn ich die Zeit hätte, es zu lernen: Programmieren. Denn Programmieren ist wie entwerfen, nur als Text. Man stellt sich Programmierer ja fieserweise immer als Nerds vor, die in fensterlosen Kellerräumen sitzen. Aber die Tätigkeit ist sehr kreativ und das Klischee längst überholt: Man erschafft in kryptischer Schrift etwas, das irgendwann digitale Wirklichkeit wird. Damit ähnelt es aus meiner Sicht sehr der Arbeit von Architektinnen.
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Eine Idee, die ich eines Tages definitiv noch umsetzen werde:
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Wie jeder Architekt: mein eigenes Haus zu bauen. Gleichzeitig graut mir aber davor, denn dann müsste ich meinen eigenen Ansprüchen gerecht werden.
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Mein guter Rat an jemanden, der es als Architekt zu etwas bringen will:
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Seinen eigenen Platz in der Architektur finden. Radikal bleiben.
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CÉLINE SICKING
arbeitete nach ihrem Architekturstudium in Hannover und Montpellier einige Jahre bei Henchion Reuter Architekten und léonwohlhage sowie als Dozentin für Entwerfen und Gebäudelehre an der Leibniz Universität Hannover, bevor sie zu combine wechselte. Die Unternehmensberatung mit rund 90 Mitarbeiterinnen unterstützt Firmen bei der Arbeitsplatz- und Gebäudeplanung. Sicking ist Mitglied des Berliner combine- Designteams, das Bürobauten von der Konzeption bis zur Fertigstellung begleitet.
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Text:
Harald Willenbrock
Fotos:
Portrait Céline Sicking, Fotografin: Laura Thiesbrummel, www.laurathiesbrummel.com | Arbeiten à la combine, Rendering: © combine | Geordneter Rückzug, Rendering: © combine | Visualisierung Workcafé 7. OG, Rendering: © combine | Arbeiten mit Ausblick, Fotografen: Boo Yeah, www.boo-yeah.de
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Ein Zuhause für Architekten:
Büroneubau von w:architekten in Freudenstadt
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Gebaute Unternehmens-kultur: Das Hager Forum von Sauerbruch Hutton Architects
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Alles für Ihr Projekt. Alles außer gewöhnlich. Alles aus einer Hand. hager.de/arc
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