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Wie dechiffriert man Bauherren, David Einsiedler?
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Mit seinem Hamburger Planungsbüro PLY atelier entwickelt David Einsiedler neue Arbeitswelten für große Unternehmen. Bevor es an die eigentliche Arbeit geht, absolviert er mit seinen Auftraggebern eine eingehende Prüfphase. Lassen sich so die richtigen Bauherren und Planer für zukunftsweisende Büros finden? Und was hat all das mit Bernd Stromberg zu tun?
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Fabrik für Ideen: Dem Hamburger Technologiepark „Tempowerk“ baute PLY Atelier gleich Behaglichkeit mit ein. Ein wohnliches Detail ist die Berker Serie 1930
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David Einsiedler, bevor Ihr Büro mit Entwürfen beginnt, schicken Sie Ihre potentiellen Bauherren durch einen gründlichen Analyseprozess. Warum der Aufwand?
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Oftmals weiß eine gewachsene Organisation zwar, dass die Zeit für Änderung gekommen ist, aber noch nicht so genau, was sie eigentlich ändern muss. Verfügt eine Firma nicht über eine Bau- oder Immobilienabteilung mit eigenen Architektinnen und Architekten, fällt es ihr häufig schwer, ihren wirklichen Bedarf, das erforderliche Budget und den richtigen Prozess zu definieren.
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Sie schreiben daher also zusammen mit Ihren Kunden erst einmal ihr eigenes Briefing.
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Richtig. Diese Phase nennen wir Planphase 0, und sie ermöglicht allen Beteiligten, sich in einem vorerst noch unverbindlichen Rahmen kennenzulernen, ohne gleich einen kompletten Bauprozess auszulösen.
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Büros für Berater: Im Auftrag einer Ingenieur- und Managementberatung gestaltete das PLY-Team ihre Hamburger Niederlassung
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Wie muss man sich eine solche Bedarfsanalyse vorstellen?
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In ein bis drei Workshops arbeiten wir unter anderem heraus, was der Antrieb für den Veränderungswillen ist, wodurch dieser getriggert wird und welchen Bedarf der Bauherr am Ende wirklich hat. Schließlich geht es darum, über welche Massen und Flächen wir sprechen, welche arbeitstheoretischen und damit auch architektonischen Antworten zu finden sind und welches Budget es dafür ehrlicherweise braucht. Wir bauen dem Kunden ein Organigramm für den gemeinsamen Prozess, strukturieren die Kommunikation und verhindern auf die Weise auch jene Panik, in die viele Belegschaften verfallen, sobald sie das Wort „Veränderung“ hören.
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All das bedeutet einigen Aufwand. Wer zahlt den?
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Der Bauherr. Wir springen in dieser Phase wie ein interner Projektleiter ein, nur mit mehr Erfahrung als eine einzelne Person sie typischerweise hat. Nach der Planphase 0 ist der Aufraggeber dann völlig frei, mit seinem geschärften Briefing uns oder auch ein anderes Büro zu beauftragen. Ganz nebenbei findet der Bauherr in diesem Findungsprozess ja auch heraus, ob wir überhaupt zu ihm passen und wir gemeinsam durch einen mitunter jahrelangen Bauprozess gehen wollen. Und auch wir wissen es danach besser.
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Schon mal einen Auftrag abgesagt, weil es für Sie einfach nicht passte?
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Klar, auch wenn wir es dem potenziellen Kunden so natürlich nicht gesagt haben. Umgekehrt gibt es mittlerweile Bauherren, die explizit wegen dieser Planphase 0 zu uns kommen. Sie wissen: am Ende sind beide schlauer.
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Fokussiert oder kommunikativ: Im Hamburger Ramboll-Büro schuf PLY Zonen für beide Arten der Arbeit
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Wie sind Sie auf diesen Ansatz gekommen?
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Mit PLY wollen wir echte Lebensqualität schaffen, und dafür müssen wir zunächst einmal verstehen, wie der Bauherr und seine Belegschaft ticken. Jedes Unternehmen und sogar jede Niederlassung eines Unternehmens ist anders und muss aus seiner DNA heraus verstanden werden. Dabei hilft mir meine Unternehmensberatervergangenheit. Für Ramboll beispielsweise haben wir das Berliner Büro zwar angelehnt an das Hamburger Büro des Unternehmens entwickelt, es jedoch anders gestaltet, weil in Berlin Mitarbeitende, Arbeit, Kunden und Aufträge beratungslastiger als in Hamburg sind und sich die beiden Büros auch im Typ Mensch und Arbeitnehmer unterscheiden. Ich finde es falsch, eine Corporate Architecture zu definieren und über ein ganzes Unternehmen auszurollen, ohne Rücksicht auf lokale, funktionale und ästhetische Besonderheiten zu nehmen.
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Sie sind studierter Marketingexperte, haben als Unternehmensberater für Konzerne gearbeitet und schließlich PLY als Interior-Unternehmen gegründet. Wie kommt man da überhaupt zu einem Innenarchitekturbüro?
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Es hat sich letztlich aus alledem ergeben. Meine Partnerin Joke Rasch und ich hatten schon immer ein Faible für Möbel, Raum und Licht. Als 2010 unser Kind geboren wurde, wir uns beruflich neu orientieren wollten und in der Nachbarschaft ein Ladenlokal frei wurde, haben wir einen Showroom für Industrial- und Designklassiker eröffnet. Die Nachfrage nach unseren Egon Eiermanns, Alvaar Altos und Jean Prouvés, kombiniert mit Industriemobiliar, das wir in ganz Europa aus alten Fabriken bargen, überstieg all unsere Erwartungen. Gleich im Gründungsjahr hat uns ein Kunde quasi genötigt, sein Büro für ihn zu gestalten. Dafür haben wir dann unsere erste Innenarchitektin eingestellt. Auf dieses erste Projekt folgten viele weitere, und mittlerweile sind wir ein Büro mit zwölf Hochbau- und Innenarchitekten, die ganz unterschiedliche Objekte planen. Unverändert geblieben ist unsere rote Linie: wir planen ausschließlich mit Materialien, Möbeln und Lichtelementen, die auch die Schwelle zu unserem eigenen Büro oder Zuhause nehmen würden. Gerade im Bezug auf die Auswahl nachhaltiger Materialien und Entscheidungen ist das nicht immer leicht und hat auch viel mit Neinsagen und Weglassen zu tun.
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Ausgezeichnetes Licht: In der Berliner Ramboll-Dependance sorgt Stefan Diez’ designpreisprämierte Ayno-Leuchte für helle Momente
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Was an PLY-Projekten auffällt: Sie alle wirken tatsächlich wohnlich.
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Wenn das so ist, haben wir unser Ziel erreicht. Ich glaube, der traditionelle Angestellte, der wie Bernd Stromberg allmorgendlich in eine graue Bürozelle mit Neonlicht, dürftiger Akustik und Büroausstattermöbeln geht, stirbt langsam aus. Die Mitarbeitenden von heute und morgen sollten an ihrem Arbeitsplatz eine Lebensqualität wie in ihrem Zuhause oder an einem sogenannten ´Third Place´ erwarten dürfen, schließlich verbringen viele den Großteil ihrer wachen Zeit im Büro. Wer heute noch klassische Büroriegel mitsamt Mittelflur plant und baut, macht daher einen Riesenfehler.
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Bei Ihren Umbauprojekten zieht häufig das Schalterprogramm Berker Serie 1930 mit ein. Warum gerade dieses?
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Wir arbeiten nicht nur, aber sehr gerne im Bestand. Gerade hier macht es immer wieder Spass, die Berker Serie 1930 einzusetzen. Deren hohe optisch mechanische Wertigkeit bildet mit patinierten Oberflächen einen sehr schönen Kontrast.
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In vielen Unternehmen wird derzeit rege diskutiert, wie viel Büro sie künftig überhaupt noch brauchen. Viele Mitarbeitende scheinen überzeugt: Das beste Office ist ihr Home Office.
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Viele Firmen und deren CEOs treibt derzeit die Sorge um, dass ihre Mitarbeitenden und deren Home Office-Präferenzen schwierig zu managen sind. Oft vergessen sie ob dieser Sorge aber die Interessen ihres eigenen Unternehmens. Ein Unternehmen und seine Identität werden nun einmal durch Menschen geprägt. Wenn sich diese Menschen kaum noch sehen, besteht das Risiko, dass die Firma ihre Identität und damit sich selbst verliert. Davon haben auch die Mitarbeitenden nichts.
Aus meiner Sicht gibt es also gute Argumente für eine gemeinsame Büronutzung, und neben der Identität ist das vielleicht wichtigste die Kreativität. Beide haben es sehr schwer, wenn eine Firma lediglich aus einer virtuellen Vereinigung von Menschen besteht, die daheim am Küchen- oder Arbeitstisch vor einer Zoom-Kachel sitzen. Wobei klar ist: es gibt Berufsfelder, die hier Ausnahmen bilden. Wir verteufeln das Home Office auch nicht ansatzweise, ganz im Gegenteil: es ist ein weiterer attraktiver Baustein, welcher in der Entwicklung moderner und zukünfiger Arbeitswelten nun endlich dazukommt und in Planungen berücksichtigt werden kann.
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Robuste Ruhezone: PLY-Entwurf für das Hamburger E-Commerce-Start-Up Collins
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Sollten Firmen ihre Mitarbeitenden ins Büro zwingen, so wie es Elon Musk bei Twitter versuchte?
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Natürlich nicht. Unternehmen sollten mit ihren Mitarbeitenden vielmehr attraktive Büros erarbeiten und anschliessend planen, umsetzen und anbieten. Diese müssen mindestens genauso qualitativ und gemütlich sein wie deren Zuhause, nur noch funktionaler. Häufig hört man ja von Mitarbeitenden, sie könnten sich zu Hause viel besser konzentrieren als im Büro. Das heißt aber doch nur, dass ihr Büro schlecht geplant worden ist. Selbstverständlich müssen Offices auch Plätze anbieten, an denen Mitarbeitende hochkonzentriert einen Gesetzestext, ein Drehbuch oder einen Budgetplan schreiben können. Wir haben beispielsweise für einen Kunden akustisch optimierte Arbeitsflächen gestaltet, an denen – ähnlich wie in einer Bibliothek – nicht gesprochen oder telefoniert werden darf. Dort ist es flüsterleise. Funktioniert wunderbar!
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Wie halten Sie es denn selbst bei PLY mit der Anwesenheitspflicht?
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Wir haben ein Team, bei dem glücklicherweise auch das Menschliche gut passt und das daher gerne in einem Raum zusammenarbeitet. Das ist Teil unserer DNA. Dennoch darf jede und jeder von uns mit Voranmeldung im Home Office arbeiten, maximal einen Tag pro Woche. Bei Bedarf sind Ausnahmen natürlich jederzeit möglich.
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Neben der Planungsarbeit haben Sie zusammen mit Ihrer Partnerin Joke Rasch die Leuchtenmarke Midgard aus der Bauhaus-Ära wiederbelebt. Wie kam es dazu?
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Wir hatten für das Büro einer Digitalagentur die historische Leuchte K831 neu aufgelegt. Ein paar Jahre später erfuhren wir, dass Midgard zum Verkauf stand. Also haben wir alle Assets der Firma, Maschinen, Werkzeuge, Teile, das Firmenarchiv und natürlich die Rechte übernommen und Midgard nach Hamburg umgezogen. Mit aktuell sieben Mitarbeitenden haben wir die Marke hier wiederbelebt und vergangenes Jahr zusammen mit dem Designer Stefan Diez ein erstes neues Leuchtenmodell entwickelt: die streng unter Nachhaltigkeitsprinzipien entworfene und produzierte AYNO lighting family.
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Klingt wie der Traum vieler Architekten: Nicht nur Räume, sondern auch deren Ausstattung zu kreieren.
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Ja und nein. Sich hierzulande als Hersteller zu registrieren, ist etwa so bürokratisch wie eine Heirat und eine Scheidung zugleich. Da geht es um Auflagen wie Herstellerhaftung, Versicherungen oder Entsorgungspauschalen, die sich zudem ständig verändern. Allein die neueste EU-Änderungsverordnung umfasst 500 Seiten in schlimmstem Fachchinesisch, die wir durchackern und auf für uns relevante Bestimmungen prüfen mussten. Große Hersteller beschäftigen für so etwas Hausjuristen und andere Experten, kleine Produzenten wie wir müssen es nebenbei und mit ihren Bordmitteln schaffen. Übersehen und verstoßen wir dabei gegen etwas, stehen wir mit einem Bein im Knast.
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War Ihr Produzentenabenteuer also ein Fehler?
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Nein. Wir sind mit gehöriger Naivität in das Projekt Midgard gestartet, und das war gut so. Hätten wir gewusst, was uns erwartet, hätten wir die Finger von der Sache gelassen. So sind wir optimistisch, unsere Zahlen entwickeln sich sehr positiv. Ich bereue nichts.
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Zweites Leben: Den Leuchtenklassiker K831 aus dem Jahre 1931 legten David Einsiedler und Joke Rasch neu auf. Mit ihrer Leuchtenfirma Midgard produzieren sie ihn gleich selbst.
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Ein paar fixe persönliche Fragen zum Schluss. Los geht’s!
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Das wollte ich als Kind werden:
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Ich hatte damals wirklich keine Vorstellung, was aus mir werden sollte. Vielleicht sehe ich das auch heute so: Believe in the flow!
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Der beste Rat meiner Eltern:
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„Werde bloß kein Architekt!“ Der stammt von meinem Vater, einem Architekten.
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Jemand, von dem ich enorm viel gelernt habe:
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Prof. Frank Sistenich, mein Marketingprofessor, konnte eine Doppelstunde lang ohne ein einziges „Äh“ vortragen. Seine Vorlesungen waren Druckbetankungen in puncto Marketing und Kommunikation. Wenn man bei ihm nicht aufpasste, verpasste man wirklich etwas.
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Mein verkanntestes Talent:
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Ich darf glücklicherweise meine Talente beruflich ausleben!
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Etwas, mit dem ich auch meinen Unterhalt verdienen könnte, sollte es als Architekt mal nicht mehr klappen:
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Siehe vorige Frage. Und wenn all das nicht mehr klappen sollte, hätte ich überhaupt kein Problem, in einem Café zu kellnern.
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Eine Idee, die ich eines Tages definitiv noch umsetzen werde:
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Den Umbau/Ausbau eines bestehenden Hauses oder einer Wohnung für uns selbst. Wobei wir unsere günstige Hamburger Mietwohnung bereits lange bewohnen und lieben. Vielleicht bleiben wir auch einfach immer dort wohnen.
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Der für Sie als Architekten aktuell inspirierendste instagram- oder LinkedIn- Account?
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Mein guter Rat an jemanden, der/die es als Architekt zu etwas bringen will:
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Offenheit auf allen Sendern. Erfolgreich wirst Du, wenn Du die relevanten Einflüsse von Markt, Arbeitnehmern, Kunden und weiteren Faktoren aufnimmst und die richtigen Schlüsse daraus ziehst.
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DAVID EINSIEDLER
Der ehemalige Weinhändler und Unternehmensberater gründete 2010 zusammen mit seiner Partnerin Joke Rasch in Hamburg einen enorm erfolgreichen Designklassiker- und Vintagemöbelhandel. Aus ihm entwickelte sich das PLY Atelier mit heute 12 Mitarbeitenden, das für Corporate-Kunden Büro-, Messe- und Hotelinteriors entwickelt. Aktuell arbeitet das Atelier an der Konversion von 14.000 Quadratmeter Büroflächen in Hamburg und der Vermietungsplanung für das Hamburger Überseequartier. Zusammen mit Joke Rasch belebte Einsiedler 2017 die Bauhaus-Leuchtenmarke Midgard wieder, legte Midgard-Klassiker mit Originalwerkzeugen und zusammen mit dem Designer Stefan Diez die nachhaltig produzierte AYNO-Leuchtenfamilie auf.
www.ply.de
www.midgard.com
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Text:
Harald Willenbrock
Fotos:
Abdruck aller Fotos mit freundlicher Genehmigung durch PLY Atelier.
Portrait David Einsiedler © Thies Rätzke | Tempowerk und Ramboll Hamburg © Nina Struve | Ramboll Berlin © Anne Deppe | Collins Hamburg © Julia Maria Max | Leuchten K831 Midgard © Peter Fehrentz
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Ein ganzes Magazin über das Hochhausprojekt von MA Architekten: Die brandneue Blueprint
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Spannende Einblicke:
Inspirierende Projekte und Lösungen in der Anwendung.
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Ideen tanken
Lassen Sie sich inspirieren! Mit unseren out of the box-Stories für Architekten bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
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Fragen? Ideen? Projekte?
Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.
Stefanie Wahl,
Hager Architektenkommunikation
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Alles für Ihr Projekt. Alles außer gewöhnlich. Alles aus einer Hand. hager.de/arc
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