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Welches Maß braucht die Architektur, FLOSUNDK? 
Das Saarbrücker Planerbüro FLOSUNDK steht für die rare Kombination von ikonischer Geste und Architektur mit Augenmaß. Im Interview erklären die Geschäftsführer Jens Stahnke und Mario Krämer, warum weniger häufiger mehr ist, sich Umbaurisiken lohnen und Architektur zwar begeistern oder schockieren, aber nie langweilen sollte. 
 
Pure Blockrandbebauung: Das BDA-Preis-prämierte Stadthaus am Saarbrücker Mügelsberg baut sich auf fast quadratischem Grundriss über fünf Geschosse würfelartig auf. In den ersten beiden Etagen ist das Büro FLOSUNDK zu Hause. 
 
Sie sind gerade von der Frankfurter Light + Building zurückgekehrt, die erstmals seit vier Jahren stattfand. Wie war’s für Sie als Architekten? 
Mario Krämer (MK): Ehrlich gesagt, einigermaßen enttäuschend. Den großen Vorteil von Messen, dass man auf ihnen neue Produkte und interessante Lösungen direkt erleben kann, hat die L+B nicht ausgespielt. Es gab zu wenig relevante Innovationen, und viele designorientierte Hersteller waren erst gar nicht gekommen. 

Jens Stahnke (JS): Vielleicht hat sich bei uns nach all den Jahren auch ein Abnutzungseffekt eingestellt. Auf dem Rückweg haben wir jedenfalls Ideen gewälzt, was man mit all den großen, Messearealen anstellen könnte, wenn dort in einigen Jahren keine Ausstellungen mehr stattfinden. 
Kurzer Arbeitsweg: Im Obergeschoss des Stadthaus am Mügelsberg leben Architekt Jens Stahnke und seine Familie. 
 
Und? Schon Ideen? 
JS: Keine allzu konkreten, aber es ist spannend, wie viel innerstädtischer Raum verfügbar werden würde. Und wenn schon Messe, finde ich, dann sollte sie so sein wie in Mailand, wo sich die Möbelmesse mit der Metropole verschränkt und in den Palazzi und Gärten der ganzen Stadt interessante Dinge passieren.

MK: Immerhin waren die Technikpräsentationen auf der Light + Building für uns Anlass, um wieder einmal die Frage der Angemessenheit zu stellen. 
Was versteht FLOSUNDK unter architektonischer Angemessenheit? Und worin zeigt sich diese in Ihren Augen? 
MK: Wieviel Raum braucht man als Individuum wirklich? Welche digitalen Lösungen sind in den eigenen vier Wänden notwendig, welche in Wahrheit überflüssig, zumal sie in ein paar Jahren ohnehin überholt sein werden? Und welchen CO2-Fußabdruck kaufen wir uns mit all der teuren Technik ein? Diese Fragen diskutieren wir in unserem Büro vehement.

JS: Den Anspruch mancher Bauherren, quasi in antiseptischen Welten zu wohnen und in ihrem Gebäude zu jeder Tages- und Jahreszeit konstante 21 Grad Celsius vorzufinden, halten wir für pervers. Eine unserer Hauptaufgaben als Architekten sehen wir heute darin, Bauherren aufzuzeigen, wie sie mit weniger Quadratmetern und weniger Technik dasselbe Maß an Komfort erreichen können. Was ist denn so schlimm, an den sieben heißen Tagen des Jahres daheim mal bei 24° Celsius im T-Shirt herumzulaufen? Und in den kalten Wochen einen Pullover überzustreifen? Bei unseren Projekten gelangen wir immer stärker zum Credo der Einfachheit.
Kreative Umnutzung: Das ehemalige Schwesternheim der Abtei Tholey rüsteten die Architekten zum Besucherzentrum um. 
 
Apropos Einfachheit: Bei FLOSUNDK setzen Sie seit jeher auf Um- statt Neubau, zum Beispiel in der Abtei Tholey. Deren Schwesternheim haben Sie zum Besucherzentrum umgenutzt.  
JS: In Tholey haben wir erlebt, wie sehr es Nachbarn und Nutzer wertschätzen, wenn man als Architekt ihren gewachsenen Bestand respektiert. Dort war der Bedarf für ein Besucherzentrum entstanden, nachdem der Künstler Gerhard Richter Chorfenster zur sanierten Klosterkirche beigesteuert hatte. Damit war klar, dass die Abtei zu einem touristischen Hotspot avancieren dürfte. Das leerstehende Schwesternheim aus den 1960er Jahren haben wir dann zu einer Art Pforte umgebaut, über die Besucher in die Klosterwelt gelangen. 
Dem Credo der Gebäude-Revitalisierung steht entgegen, dass Bauherren und Architekten sich mit Altbauten ungeahnte Risiken einfangen – etwa versteckte Mängel, Problemstoffe in den Wänden oder statische Unwägbarkeiten. Da scheinen Abriss und Neubau zumindest auf den ersten Blick unkomplizierter und risikoloser. 
JS: Natürlich stecken in Altbauten komplexe Aufgaben und gewisse Risiken. Im Kloster Tholey mussten wir die Deckenplatte für 80.000 Euro verstärken lassen, weil sie zwar für 15 Nonnen, nicht aber für 150 Besucher ausgelegt worden war. Richtig absurd aber ist doch, welche Risiken wir heute sehenden Auges in unsere Neubauten einbauen. Die Wärmedämmverbundsysteme, die wir allerorten an Fassaden klatschen, sind absehbar die Entsorgungsrisiken von morgen. 

MK: Wir werden automatisch zu mehr Umbauten kommen, schon allein aus Kostengründen. Denn Bauen ist ja sündhaft teuer geworden. Und als Saarbrücker Büro arbeiten wir in einer Arme-Leute-Gegend, wo sich viele Menschen gar keinen Neubau leisten können. Da finden Ökologie und Ökonomie jetzt ganz von selbst zusammen. 
Gotteshaus mit neuer Funktion: Die denkmalgeschützte Christkönig-Kirche in Saarlouis bauten FLOSUNDK zur Kita um – in Abstimmung mit dem Ursprungsarchitekten
 
Bei einem ihrer Umbauprojekte, der Umwidmung der Saarlouiser Christkönig-Kirche zur Kita, bot sich Ihnen eine seltene Gelegenheit: Sie konnten sich noch mit dem Architekten des Ursprungsbaues austauschen.
MK: Die Christkönig-Kirche war 1966 bis 1968 nach Plänen des Architekten Günter Kleinjohann gebaut worden. Als wir den Zuschlag für unseren Umbauplan bekamen, haben wir gleich mit dem damals fast 90-jährigen Meister Kontakt aufgenommen. Insbesondere den größten Eingriff in die Substanz, die neuen Fassadenöffnungen im bis dahin komplett geschlossenen Erdgeschoss, haben wir mit ihm abgestimmt.
Und? Hat der Kollege Ihrem Umbau seinen Segen gegeben? 
MK: Günter Kleinjohann war nicht glücklich, dass seine Kirche nicht mehr als Kirche genutzt werden würde. Aber die Art, wie wir den Umbau angingen, hat ihm gefallen. „Es wird nicht besser, als es vorher war, denn die Kirche war perfekt. Aber es ist schon ganz schön, was ihr da macht!“ kommentierte er.

Übrigens haben wir auch unseren Umbau nur als Zwischennutzung angelegt, denn wer weiß heute schon, wie lange hier Kita-Plätze gebraucht werden? Wir haben eine Kita-Box aus unbehandeltem Fichtenholz ins Schiff der Christkönig-Kirche gesetzt. Eines Tages lässt sie sich bei Bedarf mit wenig Aufwand entfernen oder umbauen. 
Gesegnetes Lichtspielhaus: Die lamellenartigen Fassadenöffnungen des Kirchenschiffs in der umgebauten Saarlouiser Christkönig-Kirche spielen mit dem Tageslicht. 
 
Was an vielen Ihrer Entwürfe auffällt: Sie fallen auf. Ihr Unternehmenssitz für die Saarbrücker Digitalagentur Ergosign, der mit Bullaugen und Metallfassade an einen Dampfer erinnert, ist gar zum instagram-Spot avanciert.  
JS: Architektur ist in unseren Augen dann gut, wenn sie wahrgenommen wird, ohne Architektur studiert zu haben. Sie darf daher nie breiig oder belanglos sein. Ich finde: Wenn die Leute an einem FLOSUNDK-Bau vorbeigehen, ohne entweder begeistert oder schockiert zu sein, haben wir etwas falsch gemacht.

MK: Das Ergosign-Gebäude haben wir konsequent auf die funktionalen Bedürfnisse einer Agentur zugeschnitten. Dazu zählt auch sein auffälliges Äußeres: Die instagrammability ihrer Zentrale hat sich für die Firma zu einem echten Pluspunkt bei der Talentgewinnung entwickelt. Für junge Programmiererinnen oder Consultants ist Saarbrücken ansonsten ja nicht der allererste Arbeitsort der Wahl. 
Markanter Bürobau: Für die Digitalagentur Ergosign bauten FLOSUNDK bereits zum zweiten Mal. Der Neubau wurde mit dem Saarländischen Architekturpreis „Orte der Arbeit“ ausgezeichnet  
 
Ein paar fixe persönliche Fragen zum Schluss – los geht’s!
Das wollte ich als Kind werden: 
MK: Ich wollte Millionär werden. Hat nicht geklappt, und das ist auch gut so.

JS: Ich wollte Clown werden. Hat geklappt, gewissermaßen.
Der beste Rat meiner Eltern:
MK: „Hauptsache, Du bist glücklich!“

JS: „Guck‘ in die Ball, triff‘ in die Mitt!“ Mein Vater wollte, dass ich Profi-Tennisspieler werde. Sein Rat lautete, dass ich meine Konzentration auf das Wesentliche fokussiere.
Jemand, von dem ich enorm viel gelernt habe:
JS: Von meinen Kindern, mit deren Augen ich unsere Arbeit zu sehen versuche. Denn das, was wir jetzt bauen, ist die Architektur, mit der ihre Generation leben muss.

MK: Von meinem Opa. Der war Handwerker, ein guter Typ und generell jemand, von dem ich mir sehr viel abschauen konnte
Mein verkanntestes Talent:
JS: Singen. Ich probe jeden Morgen unter der Dusche.

MK: Da fällt mir echt nichts ein.
Etwas, mit dem ich auch meinen Unterhalt verdienen könnte, sollte es als Gestalter nicht mehr klappen:
JS: Wir wollten schon immer gemeinsam eine Currywurstbude aufmachen. Ich habe acht Jahre in Belgien gelebt und kann daher ganz gut Fritten…

MK: … und ich koche vielleicht nicht wahnsinnig gut, aber gerne. So gesehen, wären wir ein Dreamteam. 
Eine Idee, die ich eines Tages definitiv noch umsetzen werde:
MK: Mit dem Motorrad Richtung Georgien. Das Motorrad gibt es bereits, die Tourplanung steht noch aus.

JS: Mir an der Atlantikküste einen Surfpavillon bauen. 
Mein guter Rat an jemanden, der es als Architekt zu etwas bringen will:  
MK: Verrat‘ Dich nicht. Bleib‘ auf Deinem Weg. Vorsicht vor Kompromissen. Wer glaubt, immer die Wünsche der Bauherren erfüllen zu müssen, schafft keine Architektur, sondern baut lediglich.

JS: Bleib‘ leidenschaftlich. Nur so überzeugst Du die Menschen. 
 
FLOSUNDK
Das Architekturbüro FLOSUNDK architektur + urbanistik wurde 2004 von Mario Krämer, Jens Stahnke und Daniela Flor in Saarbrücken gegründet und vielfach für seine Arbeit ausgezeichnet. Aktuell arbeitet das Sieben-Mitarbeiter-Büro gerade an einem Kinderhort in leimfreier Holzbauweise. 

www.flosundk.de
 
Text:
Harald Willenbrock

Fotos:
Titel Mario Krämer und Jens Stahnke © Holger Kiefer für Hager | Fotos Stadthaus am Mügelsberg außen, Kita Christkönig und Ergosign II Headquarter: Sven Paustian für FLOSUNDK | Foto Stadthaus am Mügelsberg innen: Johannes-Maria Schlorke für FLOSUNDK | Foto Besucherzentrum Abtei Tholey: Marco Kany für FLOSUNDK
 
 
Ein ganzes Magazin über das Hochhausprojekt von MA Architekten: Die brandneue Blueprint


 
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