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Wie radikal sind Sie, Jakob Dunkl?
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Mit ihrem Entwurf eines unkonventionellen IKEA-Standorts räumen querkraft Architekten (Wien) gerade reihenweise Preise ab. Gründungspartner Jakob Dunkl erklärt, warum Erstlingswerke oft die besten, Nachtschichten im querkraft-Büro tabu und Praktikanten häufig die klügsten Ratgeber sind.
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Multifunktionales Möbelhaus: Das IKEA-Store am Wiener Westbahnhof planten querkraft als Hostel, Dachgarten, Stadtwald und Warenhaus in einem
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querkraft Architekten haben in den letzten Monaten enormes Lob für das neue IKEA-Store am Wiener Westbahnhof bekommen. Dessen Briefing lautete, einen „radikalen Entwurf“ vorzulegen. Von einem solchen Freibrief träumst du als Architekt ein Leben lang, oder?
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Natürlich, aber das war nicht die einzige Besonderheit dieses Wettbewerbs. IKEA Austria hatte lediglich neun Büros geladen – eine erfreuliche Ausnahme im verrückten Wettbewerbswesen, wo man sonst gegen Dutzende Büros antreten muss. Ein zentraler Satz im Briefinggespräch lautete: „Wir wollen ein guter Nachbar sein.“ Ein anderer: „Wir wollen etwas Radikales, traut euch was, auch wenn‘s erst einmal danebengeht.“
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Erstaunlich: Euer Team wurde eingeladen, obwohl querkraft über keinerlei Erfahrung mit Retailprojekten verfügt.
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Dieses Abfragen von Referenzen ist das Dümmste, was Auftraggeber machen können. Man soll dann immer nachweisen, dass man bereits eine Schule, ein Krankenhaus oder was auch immer bei der Bauaufgabe gefragt ist, geplant hat. Warum ist das dumm? Weil ein Architekt, der sich das allererste Mal einer Aufgabe stellt, naturgemäß radikal hinterfragt, erforscht und ausprobiert. Seine sechste oder siebte Schule hingegen erledigt dann meist ein weniger engagiertes Team nebenbei. Genau deshalb sind Erstlingswerke ja oft die Besten. Norman Foster hatte vor seinem spektakulären Hongkonger HSBC-Building noch kein einziges Gebäude dieser Dimension geplant. Ich glaube auch nicht, dass man Frank Lloyd Wright vor dem Guggenheim nach vorigen Museumsreferenzen gefragt wurde.
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Was erwartete IKEA dann von euch? Warum wurde ein Außenseiterbüro wie querkraft überhaupt eingeladen?
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Ich vermute, IKEA interessierte unsere Haltung. Man nahm uns ab, dass wir etwas Lebendiges, Lebenswertes produzieren und unseren Namen querkraft rechtfertigen würden. Heute denkt man bei querkraft dooferweise an Querdenker, uns aber ging und geht es immer ums kraftvolle Querdenken.
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Das im Sommer 2021 eröffnete IKEA am Wiener Westbahnhof bricht tatsächlich mit vielem, was man sonst mit Möbelhäusern assoziiert: Es hat nicht nur 160 Bäume an der Fassade, sondern auch keine Autos in keiner Garage. In den obersten zwei Stockwerken ist ein Hostel untergebracht, das Dachgeschoss ist mit Bars und betonierten Klippan-Sofas ausgestattet und öffentlich zugänglich. Wie schwer war es, dieses Konzept durchzukriegen?
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Es war ziemlich leicht. IKEA Austria hat uns maximal freie Hand gelassen. Wenn wir wissen wollten, wie groß die Kassenzone zu sein hätte, ob es Einkaufswagen geben müsse oder Ähnliches, lautete die Antwort immer: „Wir wissen es nicht.“ Das bedeutete einen radikalen Unterschied zu üblichen Aufträgen von Großunternehmen, wo der Konzern meist alles genau durchgerechnet hat und der Architekt am Ende lediglich ein bisschen etwas umsetzen darf.
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Ausblick für alle: Die Dachterasse des IKEA-Stores ist für alle zugänglich. Die zwei Geschosse darunter nimmt ein Hostel ein
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Was verrät uns IKEA Westbahnhof über die Zukunft des Retails?
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Unser Konzept hatten wir „The Embassy of IKEA“ genannt: Ein Haus, das die Marke lebt. Und zwar so, dass man eigentlich gar kein Logo mehr an die Fassade kleben müsste, weil das Gebäude Logo genug ist. Ich glaube, das gilt heute für viele Retailkonzepte. Im Zeitalter des Onlinehandels ergeben diese großen Kisten an den Autobahnknoten immer weniger Sinn. Retailmarken brauchen vielmehr Touchpoints in den Städten, in denen Kunden ihre Produkte anfassen und ihre Marke erleben können.
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Bei der Eröffnung des IKEA gab es nicht nur Lob, sondern auch Proteste von Umweltschützern, weil IKEA in Rumänien Urwälder abholzen lässt. Wie tief bringt einen das ins Grübeln?
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Ziemlich tief, weil wir immer hinterfragen, ob wir für etwas Sinnvolles arbeiten oder ob wir schöne Architektur für falsche Aufgaben kreieren. Aber wir hatten uns sehr umfassend über das Unternehmen informiert und glauben, dass es auf einem guten Weg ist.
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Arabisches Architekturzitat: querkraft österreichischer Pavillon auf der Expo wurde aus Betonfertigschalen zusammengesetzt und verbraucht 70% weniger Energie als konventionell klimatisierte Gebäude.
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Ihr Gründer von querkraft-Architekten habt euch zu Anfang eine Reihe von Prinzipien formuliert. Eines lautet: „Wir bearbeiten nur Aufträge, bei denen wir unsere Potenziale erfolgreich einsetzen können und lehnen solche ab, wo die Rahmenbedingungen die Freude am Arbeiten nicht zulassen.“ Was bedeutet die Einschränkung konkret?
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Ein Beispiel: Neulich saß ein potenzieller Auftraggeber bei uns im Büro, der von uns ein grünes Wohngebäude am Donaukanal gebaut haben wollte. Allerdings stand dort noch ein Wohnhaus aus der Gründerzeit, das abgerissen werden müsste, um Platz für mehr Quadratmeter zu schaffen. Wir haben dann ein alternatives Konzept entworfen, wie man das alte Haus erhalten, ertüchtigen und auf diese Weise tonnenweise CO2 sparen könnte. Unser potenzieller Auftraggeber aber hat es abgelehnt, weil es im alten Haus Altmieter mit gedeckelten Mieten gab, die man nur per Abbruch und Neubau rauskriegen würde. Wir haben dann den Auftrag niedergelegt und für unseren arbeitsintensiven Alternativvorschlag keinen Cent erhalten.
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„Es darf keine zweite, weniger engagierte Projektschiene neben besonders schönen Aufträgen geben“, heißt es in euren Prinzipien weiter. Was spricht gegen die in vielen Büros übliche Mischkalkulation aus Projekten, die Spaß und Renommee bringen und solchen, die Mitarbeiterlöhne und Miete zahlen?
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Wir wollen in jedem Auftrag Vollgas geben. Natürlich stellt sich bei manchem Auftraggeber nach ein paar Monaten heraus, dass mit ihm weniger möglich ist, als wir uns erhofft hatten und es kein Strahlerprojekt wird, wie wir es nennen. Diese Projekte ziehen wir natürlich dennoch durch. Aber wir wollen nicht von Anfang an im Bewusstsein arbeiten: Den Mist machen wir nur des Geldes wegen.
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Tolles Team: Im querkraft-Büro kommen alle Projektbeteiligten an einen Tisch
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Außergewöhnlich sind nicht nur eure Bauten, sondern auch euer Architekturbüro selbst: Bei Querkraft arbeitet ihr als eine Art Kollektiv.
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Kollektiv ist nur teilweise zutreffend, denn bei uns gibt es die formale Hierarchie zwischen den drei Inhabern und dem Team. Das ist aber auch alles. In der Arbeit sind wir kollektiv und unhierarchisch.
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Flache Hierarchien behaupten viele zu haben. Die Realität sieht in vielen Büros ganz anders aus.
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Stimmt. Bei uns aber ist sie anders. Wir ermutigen jede frischgebackene Mitarbeiterin und jeden neuen Mitarbeiter, neben unseren Entwürfen auch eigene Ideen zu zeichnen und zu zeigen. Auf diesem Weg sind schon wahnsinnig wertvolle Ansätze entstanden, die wir natürlich auch umgesetzt haben. Wir nehmen auch grundsätzlich alle mit einem Projekt befassten Kolleginnen und Kollegen mit zu Außenterminen, schließlich registriert der unerfahrene 23-jährige Praktikant in der Baubesprechung oder Vorstandspräsentation manches sehr viel genauer als der supererfahrene Projektleiter – und biegt mit dementsprechend frischeren Ideen um die Ecke. Die Umwegrentabilität dieser Regelung ist sensationell.
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Umwegrentabilität? Was bitte soll das sein?
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Dass bei uns alle bei allem dabei sind und wir zu sechst oder siebt zu Baubesprechungen auflaufen, ist zunächst einmal brutal ineffizient. Aber auf dem Umweg über die besseren Ideen und Entwürfe ist es wahnsinnig rentabel.
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Die Köpfe hinter Querkraft: Gründungspartner Gerd Erhartt, Peter Sapp und Jakob Dunkl
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Eine weitere querkraft-Eigenheit: Abends und an Wochenenden ist euer Büro unbemannt. Wie schafft ihr das?
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Auf diesen Umstand bin ich tatsächlich mit am stolzesten, weil ich weiß, wie viele Architekturtreibende sich ihre Nächte und Wochenenden um die Ohren schlagen. Als ich vor 17 Jahren Adoptivvater wurde und schlagartig zwei Wochentage für unser Kind zuständig war, habe ich aber gespürt: Im Leben geht’s nicht nur um die Arbeitsstundenzahl. Mit weniger Arbeitsstunden hatte ich sogar noch mehr Spaß an der Arbeit und war effizienter. Wir drei Chefs notieren seither unsere Arbeitsstunden und wissen daher, dass wir im Schnitt 1.780 Jahresstunden arbeiten. Das ist nur geringfügig mehr als der durchschnittliche österreichische Angestellte inklusive Krankheits- und Urlaubstagen.
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In der Öffentlichkeit sieht man Dich nur mit einer roten Arbeitsjacke. Ist das Branding? Und wenn ja: Brauchen Architekten Markenzeichen?
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Es wäre total verlogen, wenn ich behaupten würde, die rote Jacke wäre eine rein pragmatische Entscheidung. Natürlich ist sie ein Markenzeichen – so, wie man den Niki Lauda an seiner roten Kappe erkannte. Aber bei mir ist es zufälliges Branding. Und es wäre mir peinlich, wäre es anders.
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Wie entsteht zufälliges Branding?
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Vor Jahren kam ich auf dem Weg zu einem Vortrag an einem Berufsbekleidungsladen vorbei, entdeckte die rote Jacke und habe sie mir gekauft. 29,95 Euro, tolles Preis-Leistungs-Verhältnis. Nach dem Vortrag sagten mir die Leute beim Smalltalk: „Endlich mal ein Architekt, der nicht ganz in Schwarz gekleidet ist.“ Daraufhin hab‘ ich mir gleich zehn weitere rote Jacken und zehn Arbeitshosen nachgekauft, die ich jetzt eine nach der anderen abarbeite. Nebenbei habe ich gemerkt, wie angenehm es ist, morgens nicht darüber nachdenken zu müssen, was ich anziehe, weil ich zumindest bei der Arbeit immer dasselbe trage.
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Ein paar fixe Fragen zum Schluss – bitte spontan und ohne viel Nachdenken beantworten. Los geht’s!
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Das wollte ich als Kind werden:
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Architekt oder Pilot. Mein Bruder hat dann die Weichen gestellt, indem er sagte: „Mach‘ was Kreatives.“
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Der beste Rat meiner Eltern:
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Tue, was Du willst. Wir vertrauen Dir.
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Jemand, von dem ich enorm viel gelernt habe:
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Mein verkanntestes Talent:
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Dass ich Kapitän des österreichischen Wasserball-Nationalteams gewesen bin, wissen nur meine Freunde.
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Etwas, mit dem ich auch meinen Unterhalt verdienen könnte, sollte es als Architekt nicht mehr klappen:
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Berater. Ich wäre unheimlich gern als kreativer Außenseiter im Aufsichtsrat eines Unternehmens aktiv. Statt immer Häuser zu bauen, würde ich gern mal eine Firma drehen.
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Eine Idee, die ich eines Tages definitiv noch umsetzen werde:
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Ein Sabbaticaljahr lang mit Freundin und Fahrrad durch Europa fahren.
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Mein guter Rat an jeden, der es als Architekt zu etwas bringen will:
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Sei radikal kompromisslos. Lebe Deinen Traum mit Vollgas. Dann wird’s was, egal in welchem Beruf.
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Drei inspirierende Instagram-Accounts, denen ich folge:
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Auf Instagram bin ich lediglich Karteileiche. Auf LinkedIn freue ich mich über Katja Diehl und ihre Postings unter #autokorrektur.
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JAKOB DUNKL
hat 1998 mit Gerd Erhartt, Peter Sapp und Michael Zinner das Büro querkraft Architekten in Wien gegründet, das sich bald mit unkonventionellen Lösungen einen internationalen Namen machte. Das Spektrum der vom 50-Mitarbeiter-Unternehmen realisierten Projekte reicht von öffentlichen Gebäuden bis zum Wohnbau, von Museen bis zu Unternehmensbauten wie dem adidas Brand Center in Herzogenaurach, dem Österreichischen Pavillon auf der Expo Dubai oder dem Privatmuseum des Kunstsammlers Herbert Liaunig, das 2012 als jüngstes Gebäude Österreichs unter Denkmalschutz gestellt wurde. Für das im August 2021 eröffnete IKEA Westbahnhof erhielten querkraft Architekten unter Anderem den German Design Award und ICONIC Award „Best of Best“.
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Text:
Harald Willenbrock
Fotos:
bild 1 - jakob dunkl, © querkraft - alvarez | bild 2 - autfreier IKEA am wiener westbahnhof © querkraft - ZOOMVP | bild 3 - öffentliche Dachterrasse am city IKEA © querkraft - foto: hertha hurnaus. | bild 4 - österreichischer EXPO pavillon 2020 © EXPO2020 - dany eid. | bild 5 - das querkraft-team © querkraft. | bild 6 - die 3 querkraft inhaber gerd erhartt, peter sapp, jakob dunkl © querkraft - alvarez.
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Alles für Ihr Projekt. Alles außer gewöhnlich. Alles aus einer Hand. hager.de/arc
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