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Wie plant es sich für einen Immobilienentwickler, Justin Howlett? 
Der Innenarchitekt Justin Howlett verantwortet nicht nur die Gestaltung, sondern auch das Geschäft beim Münchener Immobilienentwickler Euroboden. Das erspart dem Planer manchen Konflikt – und sorgt für neue Herausforderungen.
 
Neue Heimat für Euroboden: Auf insgesamt 2.000 m² wird das „Hammerschmidt” in Dornach ein offenes Skydeck sowie einen temporär anmietbaren Konferenzraum bieten.
 
Herr Howlett, wann haben Sie das letzte Mal bereut, im Büro nicht nur für gute Form, sondern auch für gute Zahlen verantwortlich zu sein?
Das letzte Mal? Gestern Abend. In der aktuellen Preisexplosionsphase bin ich viel zu häufig damit beschäftigt, Projektkalkulationen zu überarbeiten und unseren Kunden erklären zu müssen, weshalb ihre Projekte leider deutlich teurer werden. Einige Hersteller haben binnen eines einzigen Jahres drei Mal ihre Preise erhöht! Manche haben sogar Produkte komplett vom Markt genommen, weil sie einfach keine Komponenten erhalten. Es ist irre.
Am Bau selbst ist es vermutlich sehr konfliktreduzierend, wenn Bauherrenvertreter und Planer ein und dieselbe Person sind. 
Es ist etwas sehr Schönes, Bauprojekte bis zum letzten Detail begleiten und selbst entscheiden zu können. Diese Kombination gibt uns die gestalterische Freiheit, Dinge ganz anders zu machen. Beim „Hammerschmidt“, einem sechsstöckigen Bürobau an Münchens östlicher Stadtgrenze beispielsweise, das wir gerade nach Plänen von Muck Petzet und Arno Brandlhuber bauen, haben wir die gängigen Vorstellungen vom Büro noch einmal grundsätzlich hinterfragt. Und dann haben wir vieles ganz anders angelegt.
Kreativer Pausenplatz: Im „Hammerschmidt“ wartet mit „The Cave“ ein informeller Begegnungsort, an dem man sich für eine Pause oder kurze Besprechungen zusammensetzen kann.
 
Im „Hammerschmidt“ wollen Sie nächstes Jahr mit Ihren 70 Euroboden-Kollegen selbst einziehen. Was ist dort anders als anderswo? 
Wir haben uns zunächst einmal relevante Studien zu Bürogestaltung und Mitarbeiterzufriedenheit angeschaut und unsere Mitarbeiter nach ihren Wünschen befragt. Ergebnis: Die gängigen Großraumbüros mit Desksharing und permanenten Arbeitsplatzwechseln werden von vielen Menschen als psychologische Belastung empfunden. Bei uns wird es daher zwar auch sogenannte Flexzones mit Hochtischen, Cafébars, Einzelbüros und auch Schlafräumen geben. Daneben aber erhält jeder Mitarbeiter seinen festen Schreibtisch und sein eigenes Teambüro.
Sensible Nachverdichtung: Im Münchener Glockenbachviertel realisierte Euroboden zusammen mit dem Architekten Thomas Kröger das Appartmenthaus „Erhardt 10“. Das Gebäudeensemble zitiert Baugeschichte und Bezüge der direkten Nachbarschaft.
 
Euroboden ist eigentlich bekannt für anspruchsvolle Architektur in bester Münchener Lage. Mit dem Unternehmenssitz aber wandern Sie jetzt an den Rand der Metropole. Wieso?
In den Innenstädten explodieren die Preise, daher ziehen die Leute jetzt an den Stadtrand oder aufs Land. Auch wir als Immobilienentwickler schauen uns daher in der Peripherie nach Grundstücken mit guter Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz um. Unseren baukulturellen Anspruch nehmen wir in die Peripherie natürlich mit, schließlich muss man den Kolleginnen und Kollegen gute Argumente liefern, warum sie überhaupt vom Home Office ins Büro fahren sollen.
Auch im Preissegment probieren Sie Ungewohntes. Zusammen mit dem Architekten Florian Nagler hat Euroboden kürzlich Pläne für das Münchener Kreativquartier vorgelegt, mit denen Mietwohnungen für günstige 9.99 Euro pro Quadratmeter geschaffen werden sollen. Wieso?
Zum einen, weil auch wir in der Immobilienentwicklung neue Wege gehen müssen. Zum anderen, weil wir zeigen wollen, dass Architekturqualität, Nachhaltigkeit und ein guter Mietpreis sich nicht ausschließen. Florian Nagler arbeiten mit einem ressourcenschonenden Low-Tech-Ansatz in Holzbauweise. Dank des hohen Vorfertigungsgrades könnte sein „Haus für München“ bereits 2024 bezugsfertig sein.
Neben Nagler engagieren Sie auch Architekten wie David Adjaye, Peter Haimerl, Raumstation und David Chipperfield. Nach welchen Kriterien wählen Sie ihre Planer aus?
Bei manchen Bauvorhaben ist uns von vornherein klar, welcher Architekt der geeignete wäre. Für andere veranstalten wir Pitches, auch, um unseren Horizont zu erweitern. In Berlin, wo wir künftig vermehrt bauen wollen, sind wir in der Architektenszene noch nicht so gut vernetzt wie in München. Das wollen wir ändern.
Der Derzbachhof in München-Forstenried ist das älteste Bauernhaus der Stadt. Zusamen mit Peter Haimerl und Raumstation Architekten saniert Euroboden den Hof und ergänzt ihn um einen Wohnungsneubau in Holzhybridbauweise.
 
Ihren Käufern bieten Sie neben der Immobilie auch gleich noch die komplette Innenausstattung. Wieviele Bauherren kaufen ein solches Rundum-Sorglos-Paket?
Ein knappes Drittel unserer Käufer lässt sich von unserem Team auch die Inneneinrichtung maßanfertigen. Manche wünschen sich sogar eine löffelfertige Immobilie, bei der wir auch die Accessoires und sogar das Besteck für sie mit aussuchen. Im Premiumsegment sind individuelle Lösungen gefragt, und die bekommen sie bei uns aus einer Hand.
Mit Blick auf Bauherren raunzte der Architekt Erich Mendelsohn einmal: „Der Kunde ist immer ein Kleinkrämer, der eine Sau für den Preis eines Ferkels haben will und Kreativität nur dann anerkennt, wenn er glaubt, sie käme vom ihm.“ Nachvollziehbar?
Sicher, jeder Architekt kann das nachvollziehen. Bei jedem Projekt gilt es ja, Vorstellungen und Budget des Kunden mit Funktionalität und unseren Vorstellungen zusammenzubringen. Bei manchem Kunden ist das inspirierend, bei anderen ermüdend. Die Bandbreite erstaunt mich selbst immer wieder.
Welche Eigenschaften sollte ein Architekt mitbringen, wenn er bei einem Bauträger glücklich werden will?
Er sollte die richtige Balance zwischen Experimentierfreude und dem Sinn für effektives Bauen mitbringen. Je mehr ein Architekt sich mit gängigen Methoden und Normen auskennt und es versteht, sie mit Neuerungen anzureichern, umso glücklicher wird er in der Zusammenarbeit mit einem Bauträger sein. Denn für Bauträger spielen Themen wie Wirtschaftlichkeit und Gewährleistungen in der Regel eine große Rolle. Geraten Projekte zu experimentell, besteht die Gefahr, dass die Baukosten in die Höhe schnellen oder Dinge nicht funktionieren. Ein Beispiel dafür ist das experimentelle Maison à Bordeaux, das Rem Koolhaas für einen privaten Bauherrn geplant und dabei vieles ganz neu gedacht hat. Leider regnet es dort in Strömen hinein und das Personal des Eigentümers muss bei schlechter Witterung mit Lappen und Eimern parat stehen. Das sollte natürlich nicht geschehen.
Sie selbst wohnen für einen Architekten eher ungewöhnlich, nämlich in einer 70er Jahre-Mietwohnung im ehemaligen Arbeiterstadtteil Sendling. 
Ich bin ein großer Fan brutalistischer Architektur. Dieser Beton-Systembau aus den 1970er Jahren hatte es mir daher gleich angetan.
Ebenfalls ungewöhnlich: Von Ihrem Vermieter haben Sie sich vertraglich Zustimmung zu jedweden Umbauten zusichern lassen und Ihre 80 qm-Wohnung dann komplett umgestaltet.
Viele meiner Freunde haben die Köpfe geschüttelt, dass ich mehrere zehntausend Euro in eine Mietwohnung investierte. Es ist heute aber keine Seltenheit mehr, dass Leute auf dem Kaufmarkt einfach nichts Passendes mehr für sich finden und sich daher ihre Mietwohnung individuell ausbauen. Ich jedenfalls habe es keine Sekunde lang bereut.
Der große maßgefertigte Esstisch bietet Justin Howlett ausreichend Platz um viele Freunde zu bekochen. Inspiration für seine Wohnung sammelte er in kalifornischen Beach-Houses der 1970er-Jahre.
 
Ein paar fixe Fragen zum Schluss – bitte spontan und ohne viel Nachdenken beantworten. Los geht’s!  
Das wollte ich als Kind werden:
Pilot.
Der beste Rat meiner Eltern lautete:
Wenn Du etwas vernünftig gemacht haben willst, solltest Du es selbst machen.
Jemand, von dem ich enorm viel gelernt habe:
Tim Sittmann-Haury, Partner bei raumstation Architekten, mein ehemaliger Lebenspartner und jemand, der mein persönliches Wachstum sehr befördert hat. 
Ein inspirierender instagram- oder LinkedIn-Account: 
hannespeer
Koichi-futatsumata
Mein verkanntestes Talent:
Ich koche gern, aber das wissen alle, die mich kennen. Und ich bin kein ganz schlechter Sporttaucher.
Etwas, mit dem ich auch meinen Unterhalt verdienen könnte, sollte es als Architekt nicht mehr klappen:
Als Florist. Oder als Koch.
Eine Idee, die ich eines Tages definitiv noch umsetzen werde:
Einen Wohnsitz auf dem Land finden. Ich bin auf dem Lande aufgewachsen und spüre nach Jahren in der Stadt wachsende Sehnsucht, wieder mehr Land in mein Leben zu bekommen.
Mein guter Rat an jeden, der/die es als Innenarchitekt zu etwas bringen will:
Keinen Trends, sondern an der eigenen Intuition zu folgen. Und nicht auf perfekte Optik, sondern vor allem auf ein perfektes Raumgefühl zu achten. 
 
JUSTIN HOWLETT
hat in München und New York Innenarchitektur studiert und eine Zeitlang für Peter Silling & Associates Hotel Interior Design in Hongkong gearbeitet. Beim Münchener Bauträger Euroboden stieg der Bauingenieur nach nur einem Jahr vom Werkstudenten zum Geschäftsführer der Interior-Abteilung auf, die Euroboden-Bauvorhaben innenarchitektonisch betreut. Das 1999 von Stefan Höglmeier gegründete Immobilienentwicklungsunternehmen ist auf anspruchsvolle Wohn- und Bürobauten in München und Berlin spezialisiert.
 
Text:
Harald Willenbrock

Fotos:
Portrait Portrait Justin Howlett © Ulrike Myrzik | Hammerschmidt Skydeck © Thomas Weinberger | The Cave - mit freundlicher Genehmigung durch Euroboden/David Wunderlich | Erhardt 10 © Philipp Obkircher | Derzbachhof - mit freundlicher Genehmigung durch Euroboden © Darc Studios | Privaträume Justin Howlett - mit freundlicher Genehmigung durch Euroboden © Christine Dempf
 
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