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Wie setzt man Architektur ins beste Licht, Katja Winkelmann?
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Licht ist nicht alles – aber ohne Licht ist auch in der Architektur alles nichts. Warum wird die Lichtplanung bei vielen Projekten dennoch stiefmütterlich behandelt?
Katja Winkelmann, international renommierte Lichtplanerin mit Wohnsitz in Hamburg, über die unterschätzte Wirkung von Kelvin und Lux – und wie Architektur von gutem Licht profitiert.
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Eine einleuchtende Frage zum Beginn: Woran erkennt man architektonisch gutes Licht?
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Gutes Licht unterstützt die architektonische Idee, ist unauffällig in die Architektur eingebunden und optimal auf die Nutzung abgestimmt. Als Lichtplaner arbeiten wir ja wahrnehmungsorientiert – wir versuchen, eine für den Nutzer angenehme Umgebung und Atmosphäre zu schaffen.
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Letztendlich, könnte man sagen, kommt es aber doch immer auf die Architektur an. Ein Lichtkonzept ist eine nette Zusatzoption. Mehr nicht.
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Ganz und gar nicht, Licht ist ein Diktator! Es prägt und gestaltet Räume, mit ihm lassen sich die Strukturen und Oberflächen eines Raumes modellieren, Atmosphäre erzeugen oder zerstören, die Architektur unterstützen oder brutal gegen sie arbeiten. Raum und Raumfarben sind dabei natürlich auch extrem wichtig, da das menschliche Auge ausschließlich reflektiertes Licht sieht. Eine angeleuchtete farbige Wand färbt unter Umständen den ganzen Raum ein. Deshalb sollten Raum- und Lichtplanung Hand in Hand gehen – und zwar ganz von Anfang an.
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Das wäre der Idealzustand, ist aber im Planungsprozess selten Realität.
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Lichtplanung ist häufig die Sache von Elektroplanern, die sie naturgemäß eher aus der technischen Perspektive und weniger mit Blick auf die Wahrnehmung angehen. Mittlerweile werden wir aber auch von vielen Elektroplanern hinzugezogen. Und je früher ein Lichtplaner integriert wird, desto besser wirken nachher Architektur und Projekt. Das ist vielen Architekten und Bauherren aber auch durchaus bewusst, auch mit Blick aufs Tageslicht und seine Wirkung. Nicht von ungefähr haben Architekten wie Le Corbusier das Licht klug in ihre Entwürfe integriert: In seiner berühmten Wallfahrtskirche Notre-Dame-du-Haut sorgen Fenster und bunte Glasflächen dafür, dass sein Kirchenschiff zu jeder Tageszeit in anderem, immer aber immer besonderem Licht erscheint.
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Sind die Gefühle, die Licht auslöst, nicht letztlich etwas Subjektives?
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Sicher, Schönheit liegt im Auge des Betrachters, das ist bei Architektur oder Innenarchitektur nicht anders. Aber es gibt Gemeinsamkeiten, was die Wirkung betrifft: Ein dunkler Raum mit fahlem, bläulichem Licht beispielsweise wird bei vielen die Assoziation einer grauen Mondnacht auslösen. Akzentuierte Lichtflecken wiederum erinnern an Sonnenlicht, das durch ein Blätterdach fällt. Mit Emotionen wie diesen kann man arbeiten.
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Vielen fällt es ja schon schwer, sich die räumlichen Dimensionen eines in der Planung befindlichen Gebäudes vor Augen zu führen. Sich den Lichteinfall in einer Immobilie vorzustellen, die gerade erst entsteht, ist noch einmal komplizierter.
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Durchaus nicht, das ist eine reine Frage der Übung. Man muss nur einmal bewusst aufs Licht und sein Zusammenspiel mit Räumen und Oberflächen achten. Licht und seine Wirkung sind ja nichts Esoterisches, sondern reine Physik. Erfahrung hilft hier natürlich, außerdem gibt es Möglichkeiten, Lichtwirkungen zu simulieren. Apropos simulieren: Wir können heute mit Human Centric Lighting den natürlichen Tagesverlauf relativ gut nachstellen und damit positive Effekte bei den Nutzern erzeugen.
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Was ist unter Human Centric Lighting zu verstehen?
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Licht wirkt auf uns Menschen ja nicht nur visuell, sondern auch emotional und biologisch. Human Centric Lighting ist der Oberbegriff für Beleuchtungskonzepte, welche die Bedürfnisse und Biologie der Nutzer berücksichtigen. Ein Beispiel: Für die Lufthansa haben wir eine 2.500 Quadratmeter große Bürofläche in ihrem Frankfurter IOCC derart mit Lichtflächen ausgestattet, dass die Mitarbeiter quasi alle unter den gleichen Lichtverhältnissen arbeiten – auch jene, deren Arbeitsplätze sich in der Mitte des Großraumbüros und damit weit von den Fensterfronten entfernt befinden. Farbtemperatur und Lichtintensität verändern sich im Laufe des Tages – ganz genau so, wie unser Organismus es vom Tageslicht her gewohnt ist. Nebenbei haben wir mit unseren Lichtdecken dafür gesorgt, dass die niedrigen Decken deutlich höher wirken und und der Raum insgesamt eine ruhige Struktur erhält.
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Was sind die häufigsten Fehler, die Bauherren und Architekten in puncto Licht begehen?
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Wenn ich in Bestandsobjekte gerufen werde, stoße ich immer wieder auf LED Leuchten mit falschen oder unterschiedlichen Farbtemperaturen, schlechter Qualität, hoher Blendung und extremem Flimmern. Flimmern oder Flickern sind hochfrequente Intensitätsschwankungen, die vor allem bei gedimmten LEDs auftreten. Das kann zu Stroboskopeffekten führen und die Wahrnehmung negativ beeinflussen. Was es auf Dauer mit unserem Körper macht, wenn wir die ganze Zeit unter flimmernden Licht sitzen, wissen wir heute noch gar nicht genau. Häufig wird aber nach dem schlichten Motto “Viel hilft viel, wir können ja dimmen” überdimensioniert geplant und auf diese Weise Geld, Energie und andere Ressourcen verschwendet. Das nagt an meinem in puncto Licht ohnehin kurzen Geduldsfaden.
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Licht definiert, wie wir Dinge und Räume sehen, es diktiert unsere Wahrnehmung und unsere Gefühle. Es beeinflusst unsere Gesundheit, unseren Körper und unseren Tagesrhythmus. Blauwelliges Licht am Abend beispielsweise verhindert das Einsetzen der Melatoninproduktion und hält uns wach. Den Effekt kennt jeder, der spätabends noch vor einem Bildschirm sitzt.
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Leiden auch Sie an der Berufskrankheit, nie abschalten zu können und in jeder Immobilie erst einmal kritisch das Licht zu beäugen?
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Natürlich, der Tischler guckt ja auch erst einmal nach den Ecken und Kanten, wenn er einen Raum betritt, ein Architekt prüft die Raumwirkung. Aber aus meiner Sicht ist das keine Krankheit, sondern ganz natürlich, wenn jemand für ein Thema brennt.
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Bei den Leuchtmitteln ist in den vergangenen Jahren Enormes passiert: Von der Glühlampe über Halogenleuchte und die unsäglichen Energiesparleuchten haben wir uns binnen weniger Jahre zur LED weiterentwickelt. Ist die Evolution der Leuchtmittel damit beendet?
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Nein, die Evolution wird weiter gehen: hin zu mehr Effizienz, besserer Lichtqualität und innovativeren Steuerungsmöglichkeiten. Gerade deshalb ist es so wichtig, die Beleuchtungssysteme entsprechend der Projektanforderungen zu definieren und zu dimensionieren. Ich hoffe auch, dass die Evolution sich nicht allein auf Effizienz reduziert, wie es aktuell leider bei den Rettungszeichenleuchten geschieht. Diese werden heute immer heller, weil die LEDs immer effizienter werden. Ihre Entblendung oder Lichtverteilung wird aber nicht entsprechend wird. Die Folge: In Hotellobbys oder Restaurants strahlen sie wie Signallampen, und das meist noch mit kaltem Licht. Auf die Weise lässt sich selbst das atmosphärischste Lichtkonzept kaputtmachen.
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Mit Ihrem Planungsbüro statten Sie bereits seit über 20 Jahren Objekte in aller Welt aus. Hat sich bei den Ansprüchen in der Zeit etwas geändert?
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Natürlich. Allein dadurch, dass Leuchten und Lichtquellen immer kleiner werden, haben wir viel mehr Möglichkeiten, Licht in Räume zu integrieren. Wir können heute Lichtfarben und -intensitäten verändern und unterschiedliche Szenarien erzeugen. Durch die Vielzahl an Möglichkeiten ist die gesamte Planung komplexer geworden, womit ich nicht nur die Integration von Licht in Gebäudesysteme meine, sondern auch die LED-Technik an sich. Um hier genau die erwünschte Wirkung zu erreichen, braucht es detailgenaue Spezifikationen.
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Welcher Architekt weiß in Ihren Augen virtuos mit Licht umzugehen?
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Jean Nouvel. Sein Institute du Monde Arabe in Paris ist ein tolles Beispiel, wie sich mit einer hochtechnischen Lösung die Lichtwirkung der klassischen Ornamentfenster des Orients zitieren und das Licht dem Bedarf anpassen lässt. Aber auch die Architekten klassischer Bauten der Antike und des Mittelalters waren Profis in Sachen Lichtinszenierung. In der Zeit vor Elektrizität und Kunstlicht waren sie naturgemäß auf die Inszenierung des Tageslichts angewiesen, und das konnten sie. Heute haben wir künstliches Licht in unzähligen Varianten zur Verfügung. Das ist Geschenk und Aufgabe zugleich.
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Ein paar fixe Fragen zum Schluss – bitte spontan und ohne viel Nachdenken beantworten. Los geht’s!
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Das wollte ich als Kind werden:
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Technische Zeichnerin. Meine Tante war eine, ich fand ihren Beruf cool und habe ihn dann tatsächlich auch erlernt. Bis mein Onkel, ein Architekt, mir eines Tages sagte: Licht wird immer wichtiger, kümmer‘ Dich doch mal darum. Also habe ich Architektur studiert und mich dem Licht zugewandt.
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Der beste Rat meiner Eltern lautete:
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Jemand, von dem ich enorm viel gelernt habe:
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Mein Vater. Er führte einen Elektroinstallationsbetrieb und war der Überzeugung, dass letztlich alles Technik und machbar ist. Als bei mir mal die Waschmaschine kaputt war, schickte er mir einen neuen Motor mit der Aufforderung, ihn einzubauen. Hat auch tatsächlich funktioniert.
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Mein am meisten unterschätztes Talent:
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Ich bin Hobby-Medizinerin.
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Etwas, mit dem ich meinen Unterhalt verdienen könnte, sollte es als Architekt mal nicht mehr klappen:
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Als Kutscherin, ich lege gerade meinen Kutscher-Führerschein ab. Pferd und Kutsche habe ich bereits.
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Eine Idee, die ich auf jeden Fall eines Tages verwirklichen werde:
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M.Bassy e.V., unseren Raum für afroinspirierte Kunst und Kultur in Hamburg, richtig groß machen.
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Mein guter Rat an jeden der oder die es als Architekt zu etwas bringen will:
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Jede Aufgabe mit Sorgfalt erledigen. Die schnellen, oberflächlichen Lösungen fallen einem früher oder später sowieso auf die Füße.
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KATJA WINKELMANN
Die Diplom-Ingenieurin Katja Winkelmann ist Gründerin und Mitinhaberin von Licht01 in Hamburg. Das Team aus sechs Lichtplanern setzt Projekte in der ganzen Welt um und wurde mehrfach mit dem Deutschen-Lichtdesign-Preis ausgezeichnet. Katja Winkelmann lehrt Lichtplanung an der Akademie Mode & Design Hamburg. www.licht01.de
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Text:
Harald Willenbrock
Fotos:
Portrait: Katja Winkelmann, licht01 | Ernst Barlach Haus Hamburg, Fotograf: Andreas Weiss | Handelskammer Hamburg, Fotograf: Sabine Vielmo |IOCC Lufthansa, Frankfurt, Fotograf: Thomas Koculak | CAB20, Hamburg, Fotograf: Jakob Börner | Hotel James, Flensburg, Fotograf: Büro Korb/Marc-Oliver Schulz
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Alles für Ihr Projekt. Alles außer gewöhnlich. Alles aus einer Hand. hager.de/arc
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