|
|
Was heißt Verantwortung, Max Otto Zitzelsberger?
|
Was darf man heute als Architektin und Planer noch bauen? Wo endet unsere Verantwortung – und wo beginnt sie? Max Otto Zitzelsberger ist ein Intellektueller unter den Architekten und damit genau der Richtige, um derart grundlegende Fragen zu besprechen.
|
|
|
Konsequente Neunutzung: Für ein Museum mit historischen Landmaschinen schlägt Architekt Zitzelsberger ein Konglomerat aus gebrauchten Hallen vor
|
|
|
|
Zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen entstehen beim Bau von Gebäuden – wir alle produzieren also tagtäglich Schäden, unter denen noch Generationen leiden werden. Wie oft haben Sie angesichts dieser Fakten gedacht: Mist, ich habe den falschen Beruf gewählt?
|
|
|
|
Noch nie. Aber ich denke oft, dass sich unser Selbstbild ändern muss. Wir Architektinnen und Architekten hoffen immer noch, weitermachen zu können wie bisher. Wir bauen beispielsweise weiter Einfamilienhäuser, nur jetzt eben mit Holz und Solaranlagen auf dem Dach. Es liegt auf der Hand, dass das nicht reichen wird.
|
Wenn ein Bauherr Sie heute für eine freistehende Villa mit Außenpool und Doppelgarage anfragen würde: würden Sie den Auftrag ablehnen?
|
Das kann ich nicht versprechen, denn natürlich bin ich auch ein Teil des Problems und verspüre große Sehnsucht, bauen zu dürfen. Vermutlich würde ich den Auftrag annehmen und dann ein paar Fragen stellen: Muss das Haus wirklich so groß sein? Ist das angemessen? Könnten wir es aus gebrauchten Baustoffen ausführen? Aber konsequent wäre das natürlich nicht.
|
|
Altes neu denken: Für das Depot des Freilandmuseums Oberpfalz sollen nach Zitzelsbergers Vorstellungen auch gebrauchte Baustoffe zum Einsatz kommen.
|
|
Wie weit reichen denn überhaupt Verantwortung und Einflussmöglichkeiten von Architektinnen und Architekten? „Nur weil wir meist die sichtbarsten Player in einem Projekt sind, glauben viele, wir wären für alles verantwortlich“, erklärte der Frankfurter Planer Andreas Moser kürzlich in dieser Interviewreihe. „Wir bilden aber nur die Bandscheibe zwischen Bebauungsplänen und Renditeerwartungen.“
|
Ich meine, am Ende ist jede und jeder selbst für sich und auch dafür verantwortlich, für welche Art Bauherr oder Auftraggeberin er oder sie arbeitet. Früher oder später landet man auf diese Weise in einer Nische, und steckt in dieser nicht selten fest. Jene Investorengruppen, für die Andreas Moser häufig arbeitet, würden bei mir nie anfragen. Bei unserem Büro landen die architektonischen Randprojekte, die andere nicht wollen.
|
|
|
|
Von Ihrem ehemaligen Chef Florian Nagler stammt die Erkenntnis, dass sich jede neue Architektengeneration neuen Bedingungen stellen muss. Sie werden bald 40 Jahre alt – welche Bedingungen, würden Sie sagen, gelten für die Architektinnen und Architekten Ihrer Generation?
|
Nagler hat damit absolut recht. In der Nachkriegsgeneration beispielsweise haben Architekten – es waren leider ausschließlich Männer – wie Josef Wiedemann, Sep Ruf oder Franz Hart schon in sehr jungen Jahren große Gebäude gebaut. Heute kommt so etwas nur noch selten vor. Die jüngste Generation von Planerinnen und Architekten hat kaum noch Chancen, große Projekte zu realisieren, geschweige denn Wettbewerbe zu gewinnen. Und wenn ein junges und kleines Büro doch mal einen 1. Platz erreicht, sind die nachgeschalteten Vergabekriterien zu Umsatz, Bürogröße und so weiter meist so ausgelegt, dass diese Büros automatisch rausfallen. Wir bauen deshalb heute zwangsläufig weniger als die Generationen vor uns.
|
|
Klarer Kontrast: „Eine Kaffeemühle wie dieses Walchstadter Wohnhaus steht am liebsten alleine“, sagt Zitzelsberger. „Wenn man für es einen Anbau plant, sollte es daher ein eigensinniger sein, der ebenso gern alleine steht.“
|
|
Wie sieht es denn mit der nachrückenden Architektengeneration aus, die Sie als Juniorprofessor für Tektonik im Holzbau an der TU Kaiserslautern ja tagtäglich erleben?
|
Bei den Studierenden nehme ich ganz unterschiedliche und auch widersprüchliche Vorstellungen wahr, insofern sind sie ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Darunter sind junge Leute, die sich der Problematik, dass westliche Gesellschaften auf zu großem Fuße leben, bewusst sind. Und es gibt andere Studierende, die wenig bis nichts hinterfragen.
|
Mal abgesehen vom Fachlichen: Was versuchen Sie diesen künftigen Architektinnen und Architekten mitzugeben?
|
Ein Großteil der Studierenden hat ein aus meiner Sicht problematisches Anliegen: Sie wollen immer alles richtig machen. So aber verlernt man zu denken. So entsteht Erwartbares. So stirbt jeglicher Wille zur Veränderung. Der von mir hochverehrte Hermann Czech wurde einmal gefragt, was er seinen Studierenden mitzugeben versuche. Er antwortete darauf kurz und knapp: „maximale Verwirrung“.
|
|
|
|
|
Vom Bauernhof zum Bauhof: Erweiterung eines historischen Hofes zu einem inklusiven Bauhof im oberpfälzischen Berngau
|
|
Worin liegt Ihrer Meinung nach der Wert von Verwirrung?
|
Die Dinge, die auf der Hand liegen, sind meist nicht so einfach, wie sie scheinen. Ein Beispiel: Das Interesse an Holz als Baustoff steigt aus gutem Grund. Gleichzeitig wird Beton als Baustoff mehr und mehr hinterfragt. Die Parole „Holz ist gut, Beton ist schlecht“ greift dennoch viel zu kurz. So einfach ist es nun einmal nicht, und so ist es mit fast allen Fragen, die sich Architektinnen und Architekten stellen.
|
Dabei wünschen wir uns alle einfache Lösungen.
|
Genau, aber dies führt nun einmal zu undifferenziertem Denken und Handeln. Ich will daher meine Studierenden aus ihrer Komfortzone herausholen und ihren Blick für die Komplexität unserer Welt schärfen. Paradoxes, Nichtvereinbares, Nichtreines, Heterogenes, Vielfältiges, Vielschichtiges, Multiples: All das ist Ausdruck unserer Welt. Wir sind für die Zukunft am besten gewappnet, wenn wir lernen, mit Widersprüchen umzugehen.
|
|
Günstiges Gewerbe: Für einen Metzgereibetrieb plante Zitzelsberger eine Gewerbehalle aus günstigen Standardmaterialien
|
|
|
|
|
Ein paar fixe persönliche Fragen zum Schluss, die wir allen Interviewpartnern
und -partnerinnen stellen. Los geht’s!
|
Das wollte ich als Kind werden:
|
|
Der beste Rat meiner Eltern:
|
Meine Eltern haben mir vor allem nicht dreingeredet. Das rechne ich Ihnen heute noch hoch an.
|
Jemand, von dem ich enorm viel gelernt habe:
|
Von Florian Nagler. Ein unglaublich guter Stratege, sehr gelassen, außerordentlich intelligent.
|
Mein verkanntestes Talent:
|
Mir fällt nur ein Talent ein, das ich gerne hätte: Eine Gelassenheit wie die von Florian Nagler.
|
Etwas, mit dem ich auch meinen Unterhalt verdienen könnte, sollte es als Architekt nicht mehr klappen:
|
Mich interessieren Soziologie, Philosophie, Literatur, etc. Doch auch das sind keine Brotberufe…
|
Eine Idee, die ich eines Tages definitiv noch umsetzen werde:
|
Ein solches Ziel verfolge ich nicht.
|
Der für Sie als Architekten aktuell inspirierendste instagram-Account?
|
@doorzon_interieur_architecten
@nicolas_db
@abnormal_story
|
Mein guter Rat an jemanden, der/die es als Architekt zu etwas bringen will:
|
Ich kann keinen Rat, dafür aber zwei Erfahrungen teilen. Erstens: Man muss sich selbst ernst nehmen, dann wird man ernst genommen. Zweitens: Wer wirklich etwas zu sagen hat, wird auch gehört.
|
|
MAX OTTO ZITZELSBERGER
Der Münchener Architekt arbeitete nach seinem Diplom an der TU München frei für Architekturbüros in Deutschland und der Schweiz, bevor er Assistent von Prof. Florian Nagler am Lehrstuhl „Entwerfen und Konstruieren“ wurde. Seit 2011 leitet und betreut er eigene Projekte, für die er Preise und Auszeichnungen wie den Weißenhof Architektur-Förderpreis gewann. Seit 2019 ist Zitzelsberger Juniorprofessor für Tektonik im Holzbau an der TU Kaiserslautern.
#maxottozitzelsberger
www.maxottozitzelsberger.de
|
|
|
|
|
Text:
Harald Willenbrock
Fotos:
Titel/Portrait Max Otto Zitzelsberger © Jens Schnabel, München | Depot Neusath: Modellbau und Fotografie: Melanie Schlanser, Büro MOZ | Wohnhaus Dorfen: Modellbau und Fotografie: Mirjam Elsner und Maxi Graber, Büro MOZ | Bauhof Berngau: Modellbau und Fotografie: Mirjam Elsner und Matteo Pelagatti, Büro MOZ | Wursthaus Floss: Modellbau und Fotografie: Eugen Happacher, Büro MOZ
|
|
|
|
|
Ein ganzes Magazin über das Hochhausprojekt von MA Architekten: Die brandneue Blueprint
|
|
|
|
Spannende Einblicke:
Inspirierende Projekte und Lösungen in Anwendung.
|
|
|
|
Ideen tanken
Lassen Sie sich inspirieren! Mit unseren out of the box-Stories für Architekten bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
|
|
|
|
|
Fragen? Ideen? Projekte?
Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.
Stefanie Wahl,
Hager Architektenkommunikation
Vernetzen Sie sich mit mir über LinkedIn
|
|
|
|
|
Alles für Ihr Projekt. Alles außer gewöhnlich. Alles aus einer Hand. hager.de/arc
|
|
|
|
|
|