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Wie viel Designer steckt in einem Architekten, Philipp Mainzer?
Seine Ikonen kennt jeder, seine Marke e15 ist eine feste Größe unter den deutschen Möbelherstellern. Philipp Mainzer ist aber auch ein erfolgreicher Architekt. Was treibt diesen Mann? 
 
 
Wenn ein Architekt nicht nur als Planer, sondern auch als Produktdesigner und Designunternehmer weltweit unterwegs ist: Heißt das, dass Architektur allein letztendlich nicht ausfüllend ist?
Überhaupt nicht. Ich habe ja auch zuerst Produktdesign studiert, wollte aber nicht immer nur Objekte, sondern auch die Räume drumherum gestalten. Also habe ich ein Zweitstudium an der Londoner Architectural Association draufgesattelt, parallel meine ersten Möbeldesigns aufgelegt und e15 gegründet. Damit war ich plötzlich alles drei. Es hat sich ganz logisch ergeben. 
Heute gestaltest Du nicht nur Möbel und Häuser, sondern managst auch eine Designfirma mit knapp 30 Mitarbeitern. Wo und wie lernt man als Architekt das Unternehmer-Sein?
Lernen tut man das nur, wenn man sich darauf einlässt. In meinem Fall dann durch Learning by doing, und je früher man damit beginnt, umso besser. An meinem Hamburger Gymnasium haben mein Freund Ali und ich aus Stoffresten Schwimmshorts genäht. Wir nannten unsere Kreationen „AP Design“, entwarfen ein Branding, und bald trug sie die ganze Schule. Während des Designstudiums in London habe ich dann Objekte gestaltet und in einer Hamburger Galerie verkauft. Ich bin schon immer unternehmerisch interessiert gewesen und habe das dann irgendwie geschafft. Ich will aber nicht sagen, dass dies der beste Weg ist. Es gibt bestimmt auch passende Lehrgänge, die einem eine gute Grundlage geben
Was war deine bis heute fatalste Entscheidung als Designunternehmer?
Einen Gesellschafter in mein Unternehmen zu holen, mit dem es dann doch nicht geklappt hat. Es ist nun einmal schwierig, Partnerschaften zu finden, die Bestand haben. Auch wenn ich in dem Bereich schon gute Erfahrungen gesammelt habe, hatte ich in diesem Fall kein Glück.
Dein Rat für einen Architekten oder Designer, der gerade sein eigenes Unternehmen gründen will:
Sich bei der Gründung von erfahrenen Kollegen und Experten – zum Beispiel dem Steuerberater oder Rechtsanwalt – beraten zu lassen. Das Investment ist es wert. Und sich nichts schönreden oder schönrechnen. Schönrechnen führt früher oder später zu Problemen und Schweißausbrüchen. 
Selber mal ins Schwitzen geraten?
Natürlich. Als Unternehmer, an dessen Entscheidungen die beruflichen Existenzen von mehr als zwei Dutzend Mitarbeitern hängen, ist das unvermeidlich. So etwas wie das Frühjahr 2020, als Corona bei uns voll durchschlug, möchte ich jedenfalls nicht noch einmal erleben. Dank Kurzarbeit haben wir die Krise zwar heil überstanden, aber die Ungewissheit war wirklich belastend. 
Bekanntgeworden ist deine Marke mit dem Massivholztisch „Bigfoot“ und dem Hocker „Backenzahn“, die es schnell zu Ikonen der 90er-Jahre brachten. Wofür steht e15 heute? 
Für authentische Möbel und spezielle Lösungen, die wir für und mit Architekten entwickeln. Es gibt nicht viele Firmen, die einen 8 Meter-Massivholztisch mit Kabelmanagement in einer Qualität wie wir fertigen können. Ein anderes Beispiel: Die Tische, mit denen wir vor einiger Zeit die Kantine am neuen Hauptsitz der Drogeriekette dm in Karlsruhe ausgestattet haben, haben wir eigens auf die Größe der Tabletts abgestimmt, für die sich dm bereits entschieden hatte. 
Nervt es, auch 25 Jahre danach mit „Bigfoot“ und „Backenzahn“ assoziiert zu werden? So wie ein Musiker, der auch zig Alben später immer noch auf seinen allerersten Hit angesprochen wird?
Nein, das freut mich. Aber es wäre natürlich auch schön, wenn die Kunden die Marke e15 genauso gut kennen würden wie die Produkte, was bei Architekten zum Glück oft der Fall ist. Trotzdem ist es erstaunlich, wie sehr sich diese beiden Entwürfe in den Hinterköpfen eingebrannt haben. 
Mal nachgezählt, wie oft diese beiden Möbelikonen bereits kopiert wurden? 
Eine dreistellige Anzahl von Plagiaten dürfte es mittlerweile sein. Wir haben ihnen auf der IMM zusammen mit Stylepark sogar einmal eine eigene Ausstellung gewidmet. Es ist wichtig, dass man den Verbraucher für dieses Thema sensibilisiert. 
Was bedeutet es, massenhaft kopiert zu werden: ein Kompliment oder ein Ärgernis?
Wir gehen jedenfalls jedem Plagiatsfall nach – nicht um Geld zu verdienen, sondern um den Markt sauber zu halten und uns und unsere Kunden zu schützen. Die wollen schließlich keiner Kopie aufsitzen, sondern das Original. Erfreulicherweise reicht häufig schon ein Brief unseres Anwalts, um ein Plagiat vom Markt verschwinden zu lassen.  
Was hat der Produktdesigner Philipp Mainzer vom Architekten Philipp Mainzer gelernt?
Bei der Gestaltung eines Objekts bereits die Räume mitzudenken, in denen es später stehen wird. Viele Möbel sind meiner Meinung nach viel zu dominante Statements. Wenn ich über die Möbelmesse gehe und mich umschaue, frage ich mich oft, wer all das eigentlich kaufen und wo es eines Tages stehen soll. Wir haben einen anderen Anspruch. Unsere Möbel sollen sich in Interieurs einfügen und mit Möbeln anderer Hersteller und sogar jenen anderer Epochen harmonieren. Ich denke, man sieht es unserer Kollektion an, dass sie von einem Architekten gesteuert wird.  
Schaut man sich in der Branche um, hat man den Eindruck, dass es nur zwei Sorten von Architekten gibt: diejenigen, die bereits ein Möbel entworfen haben – und jene, die es unbedingt noch tun wollen.
Die beiden Disziplinen liegen ja auch nah beieinander. Und für jemanden, der Räume gestaltet, ist es sehr verlockend, auch das Mobiliar mitzugestalten, schließlich lässt sich manchmal nichts Passendes für einen Raum finden, obwohl es schon so viel gibt. Außerdem ist ein Möbel ja ein Objekt, das sich unbegrenzt duplizieren lässt. Das ist für Architekten, die häufig jahrelang an einem einzigen Bauprojekt und damit einem Unikat arbeiten, eine sehr attraktive Abwechslung.
Für e15 entwerfen Designer wie Stefan Diez und Architekten wie David Chipperfield. Wie kommt so eine Kooperation zustande: Ruft man da einfach im Büro Chipperfield an und fragt, ob er Lust auf ein paar Möbeldesigns hätte?
Nein. Mit den Designern und Architekten, die für uns gestalten, sind wir meist langjährig befreundet. Mit einem Partner des Berliner Chipperfield-Büros habe ich zusammen studiert. Als Chipperfield dann für sein Fayland House in Buckinghamshire passende Möbel suchte, fragte er uns an, ob wir sie gemeinsam entwickeln wollen. Auch für die von ihm restaurierte Neue Nationalgalerie in Berlin haben wir wieder einen Tisch produziert.
Du selbst hast als Architekt so unterschiedliche Aufgaben wie eine Gin-Destillerie in Baden-Württemberg oder die Niederlassung eines taiwanesischen Glasfabrikanten gelöst. Wie kommen solche Aufträge zu Dir?
Entweder durch persönliche Beziehungen oder über Referenzprojekte, manchmal auch über die Möbel. Die Leute mögen unsere Formensprache, finden heraus, dass hinter e15 ein Architekt steht und bitten uns, für sie die Bauplanung zu übernehmen. Außerdem reise ich sehr viel, für e15 war ich vor Corona jedes Jahr mehrfach in Asien unterwegs und habe dort viele Kontakte geknüpft. Dadurch kam es zu Projekten wie dem 12-stöckigen Apartmentgebäude in Taipeh, das wir gerade fertigstellen.
Ein paar fixe Fragen zum Schluss – bitte spontan und ohne viel Nachdenken beantworten. Los geht’s!
Das wollte ich als Kind werden:
Designer. Ich weiß nicht, wie ich damals darauf kam, aber Designer oder eine Tätigkeit in der angewandten Kunst war schon immer mein Traum.
Der beste Rat meiner Eltern lautete:
Mich Designer werden zu lassen. Mein Vater war Arzt, sein Vater ebenso. Und obwohl Industriedesign damals ein relativ ungewöhnliches Fach war, welches meine Eltern überhaupt erst mal verstehen mussten, haben sie mich dabei unterstützt. Und auch als ich zur Architektur wechselte, haben sie mich machen lassen.
Jemand, von dem ich enorm viel gelernt habe:
Meine Frau Farah. Als Modedesignerin hat sie einen ganz anderen kreativen Ansatz und bereichert unsere Marke um unzählige Facetten. Als Iranerin bringt sie außerdem einen ganzen Koffer Kultur mit in unsere Beziehung, was einen sehr dynamischen Austausch fördert. 
Mein verkanntestes Talent:
Talent ist ein großes Wort. Ich habe ja sogar Schwierigkeiten, mir selber ein Talent im Design oder in der Architektur zuzusprechen. Um so weniger kann ich über verkannte Talente sprechen.
Etwas, mit dem ich meinen Unterhalt verdienen könnte, sollte es als Architekt mal nicht mehr klappen:
Als Landwirt. Auf der Pistazienfarm meiner Frau.
Eine Idee, die ich eines Tages definitiv noch umsetzen werde: 
Mir unser eigenes Haus bauen – einen inspirierenden Rückzugsort mit viel Raum und Licht, gebaut mit guten Materialien.
Mein guter Rat an jemanden, der es als Architekt zu etwas bringen will:
Bleib‘ dir treu und gib‘ nie auf. Wenn ich an manche Situationen meiner Karriere zurückdenke, wundere ich mich heute noch, dass ich damals nicht aufgegeben habe. Aber man entwickelt in dem Moment so viel Energie und macht einfach weiter. Im Rückblick muss ich sagen: Das Durchhalten hat sich gelohnt. 
 
PHILIPP MAINZER
Der Architekt, Designer und Designunternehmer studierte Produktdesign am Central Saint Martins College of Art and Design und Architektur an der Londoner Architectural Association. 1995 gründete er zusammen mit seinem Studienfreund Florian Asche die Möbelmarke e15. Benannt nach der Postleitzahl des Ostlondoner Stadtteils Hackney, wo Mainzers erstes Studio beheimatet war, wurde das Unternehmen vor allem durch den Massivholztisch Bigfoot sowie den Hocker Backenzahn bekannt. Mainzers (Ehe-)Partnerin ist die Modedesignerin Farah Ebrahimi, ehemalige Assistentin von Holly Harp und Designdirektorin bei Donna Karan. www.e15.com
 
Text:
Harald Willenbrock

Fotos:
Die Fotos wurden mit freundlicher Genehmigung von e15 bereitgestellt.
 
 
Alles für Ihr Projekt. Alles außer gewöhnlich. Alles aus einer Hand. hager.de/arc
 
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