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Wie arbeitet es sich im Kollektiv, Roberto Gonzalez?
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Ein Kollektiv junger Architekten, das unter 831 Teilnehmern einen Wettbewerb für sich entscheidet: Dieser "Husarenstreich" ist addenda architects aus Barcelona gelungen. Ihr Entwurf für das neue Bauhaus Museum Dessau zählte zu den meistdiskutierten Projekten der letzten Jahre.
Roberto Gonzalez, addenda Mitgründer und leitender Architekt in Dessau, über die Stärken kollektiver Zusammenarbeit, die Tücken der Projektarbeit im Ausland und warum ein verlorener Wettbewerb keine Demütigung ist.
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Vom Gestern zum Morgen – das Beispiel Bauhaus Museum Dessau
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Mit dem Entwurf für das Bauhaus Museums in Dessau wurde euer Architektenkollektiv schlagartig international bekannt – in einem Moment, in dem es addenda architects eigentlich noch gar nicht gab. Wie verändert ein solcher Überraschungserfolg die Arbeit?
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Einerseits auf vielfältige Weise: Wir begannen, als ein großes, kollaboratives Team zu arbeiten, eine neue Sprache zu lernen und unsere Firma zu gründen. Uns blieb keine Sekunde Zeit zum Nachdenken oder Zögern, wir mussten jetzt aus dem Stand heraus eine Vielzahl Dinge erledigen. Andererseits arbeiten wir immer noch auf die gleiche Weise wie vorher: mit unterschiedlichsten Partnern und Kollaborateuren, von denen jeder seine Sichtweise einbringt und so zum endgültigen Design beiträgt.
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Euer Konzept für das neue Bauhaus Museum in Dessau wurde unter 831 Entwürfen aus der ganzen Welt ausgewählt. Wie schafft man es, unter mehreren hundert Konzeptideen herauszustechen?
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In einem offenen Wettbewerb wie diesem muss man sich von vielen anderen abheben. Uns war daher klar, dass unser Konzept leicht verständlich und aussagestark zugleich sein musste. Wie sich herausstellte, gehörte unser Wettbewerbsvorschlag genau wegen dieser Kombination zu jenen, die es immer wieder in die nächste Runde schafften. Bis am Ende nur noch wir übrigblieben.
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Was hat euch überhaupt motiviert, euch an dem Dessauer Wettbewerb zu beteiligen? Die Chance auf Erfolg war schließlich minimal – jene, dass die ganze Arbeit am Ende umsonst war, jedoch verdammt hoch.
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Für junge Architekten wie uns gibt es nun einmal nicht viele Möglichkeiten, ein Museum zu entwerfen und zu bauen, vor allem, wenn man nicht vorher bereits eines gebaut hat. Noch geringer ist die Wahrscheinlichkeit, wenn es sich um bekannte Institutionen handelt. Als wir lasen, dass die Stiftung Bauhaus Dessau einen international offenen Wettbewerb für ein Museum ausschrieb, haben wir daher keine Sekunde gezögert. Auch wenn die Chancen gering waren, war es den Versuch wert. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum sich so viele Andere beteiligt haben.
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„Wir Architekten werden als Helden gefeiert, aber Demütigung ist unser Alltag“, heißt es von Rem Kolhaas. „Die meisten unserer Arbeiten für Wettbewerbe und Ausschreibungen verschwinden von selbst. Das ist unser schmutziges Geheimnis.“ Gilt das auch für addenda architects?
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Ich teile das meiste davon, bis auf den Teil mit der „Demütigung als Alltag“. Es stimmt, wir haben gleich den ersten Wettbewerb, an dem wir uns gemeinsam beteiligt haben, für uns entschieden... dann aber mussten auch wir erst einmal etwa 20 weitere verlieren, bevor wir wieder einen gewannen. Ich sehe dieses Verlieren und Scheitern aber als eine natürliche Tatsache im Leben eines Architekten, nicht als Demütigung.
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Warum habt ihr euch für die spezielle Organisationsform des Kollektivs entschieden? Und worin liegt der Hauptunterschied zu traditionellen Architekturbüros?
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Der Hauptunterschied liegt wahrscheinlich in uns fünf Architekten als fünf Partner mit gleichem Stimmrecht. Die Entscheidung dafür war eine sehr spontane: Anne, Jose und ich teilten uns bereits einen Büroraum. Wir arbeiteten alle an unseren eigenen Projekten, versuchten aber von Zeit zu Zeit, gemeinsam einen Wettbewerb zu gewinnen. Arnau und Cecilia, mit denen schon seit der Studienzeit befreundet waren, waren bei einem anderen Büro angestellt. Bis wir bei einem Abendessen auf die Idee kamen, gemeinsam an einem großen offenen Wettbewerb teilzunehmen... das war dann der Wettbewerb für das Bauhaus Museum Dessau. Wir haben gar nicht so viel darüber nachgedacht, wie unser gemeinsames Unternehmen aussehen würde. Unsere Firma entwickelte sich ganz natürlich während des Prozesses dieses ersten Wettbewerbs.
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Wo liegen die Stärken eines Kollektivs – und wo seine Schwächen?
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Der Hauptvorteil ist das breite Spektrum an Interessen, Wissensgebieten und Einstellungen, das ein Fünferkollektiv zusammenbringt. Ein Vorteil ist auch das Maß an Unterstützung und Vertrauen, das wir füreinander pflegen. Der Nachteil? Wenn wir effizient und profitabel arbeiten wollen, ist es – abhängig vom Projekt und dessen Budget – häufig nicht möglich, alle im gleichen Maße zu beteiligen. Manchmal endet es damit, dass einer mehr von der Art der Aufgabe macht, in der er/sie effizienter arbeitet, als sich am gesamten Prozess zu beteiligen.
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Wofür steht euer Name „addenda“?
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Ein „Addendum“ ist etwas Hinzuzufügendes, und „addenda“ steht für das Hinzufügen von Werten oder einer Klarstellung zu einem bestehenden Ort. Als Architekten entwerfen wir ja nicht von Null an, sondern es ist immer etwas vor uns da: der Ort und sein Land, seine Nachbarn, seine Geschichte, seine soziokulturelle Situation, bestehende Gebäude und Ähnliches. Wir fügen dem Vorhandenen unsere Ideen zu und schaffen so einen Mehrwert.
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„Architektur ist eine ultimative Darstellung von soziokulturellen Themen“ heißt es in eurer Selbstdarstellung. Was genau ist damit gemeint?
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Unsere tägliche Arbeit ist von dem bestimmt, was gegenwärtig am Ort eines Projekts passiert. Bei unseren aktuellen Projekten in Barcelona zum Beispiel geht es häufig um Lösungen, die eine natürliche Antwort auf den Klimawandel und den Versuch unserer Stadt darstellen, ihre Luft sauber zu halten – dieselbe Luft, die wir alle atmen. Das müssen keine Lösungen sein, die Kühl- oder Heizgeräte beinhalten, im Gegenteil: Zwei gegenüberliegende Fenster in einem Raum, die mit einer Jalousie vor der Sonne geschützt werden und so die Luft durch einen schattigen Raum zirkulieren zu lassen, sind eine seit Jahre erprobte Lösung. Aber sie sind eine Antwort auf ein sehr gegenwärtiges Problem. Als Architekten suchen wir solche Lösungen.
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Wie gewöhnungsbedürftig ist es für spanische Architekten, in Deutschland ein Projekt zu leiten?
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Obwohl Spanien und Deutschland ja gar nicht so weit voneinander entfernt liegen und wir kulturell sicher mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben, bedeutete die Arbeit in Dessau für uns in vielerlei Hinsicht eine große Umstellung. Einige der Unterschiede – Sprache, Vorschriften und lokale Arbeitsprozesse – sind offensichtlich. Aber den größten Unterschied mussten wir erst lernen, nämlich die Art und Weise, wie Verantwortlichkeiten und Aufgaben im gesamten Prozess des Entwerfens und Konstruierens organisiert und aufgeteilt werden. Das ist in Deutschland ganz anders als in unserer Heimat. Auch die Einstellung und das Verhalten aller Beteiligten – Bauherren, Projektleiter, Planer, Konstrukteure, und so weiter – im Fall von Hindernissen und Fehlern sind völlig unterschiedlich.
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Was ist in Spanien so anders als in Deutschland?
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Bei uns sind die Grenzen der Aufgaben Einzelner im Bauprozess nicht so klar definiert. Wir waren es daher nicht gewohnt, viel Zeit und Energie darauf zu verwenden, über Verantwortlichkeiten und Haftung beim Bauen und Entwerfen zu diskutieren. Damit meine ich nicht, dass das eine besser oder schlechter wäre – es ist einfach anders. Außerdem sind Architekten in Spanien es mehr gewohnt, neue Dinge zu erfinden und auszuprobieren.
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Wie darf man sich diese Innovationsarbeit vorstellen?
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Nun, es ist ja nicht so, dass wir in Spanien am Ende keine Produkte aus einem Katalog verwenden würden. Als Teil der westlichen Baukultur wäre es auch sehr schwer, in einem Projekt kein einziges Standardprodukt zu verwenden. Aber in Spanien ist Handarbeit häufig billiger als Standardprodukte von Firmen, zumal wenn die Produkte oder Lösungen importiert werden. Daher kann die Gestaltung einer maßgeschneiderten Holz- oder Stahltür, einer Trennwand aus Stahl und Glas oder eines ganzen Sonnenschutzsystems leicht für ein bestimmtes Projekt entworfen und umgesetzt werden. Ich meinte also nicht so sehr das „Erfinden von Dingen“, sondern vielmehr den Gedanken, dass, wenn ein Produkt oder ein Konstruktionsdetail nicht genormt oder in einem Katalog zu haben ist, es dennoch realisiert werden kann. Vieles ist einfach einen Versuch wert.
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Wie hat der Bauhaus-Erfolg addenda architects verändert? Seid ihr noch dieselben, die ihr wart, als das Projekt begann?
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Das Bauhaus-Projekt hat uns vor allem ermöglicht, unser Büro zu etablieren und seit 2015 gemeinsam zu arbeiten. Daneben hat es uns ob der Tatsache, dass das Bauhaus eine international bekannte Institution ist, eine gewisse mediale Aufmerksamkeit verschafft. Abgesehen davon sind wir immer noch dieselben Leute, die neue Projekte ganz genau so angehen, wie wir es beim Museum getan haben: in Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Leuten, verschiedenen Hintergründen und unterschiedlicher Expertise.
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Mit den öffentlichen Einrichtungen der Sagrada Familia in eurer Heimatstadt Barcelona arbeitet ihr gerade an dem nächsten öffentlichen Projekt. Gibt es irgendwelche Erkenntnisse aus euren Erfahrungen in Dessau, die in dieses neue Projekt einfließen?
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Ja, in der Tat. Obwohl es sehr große Unterschiede zwischen den beiden Funktionsprogrammen, den Standorten und ihrem Kontext gibt, steht hinter dem Entwurfskonzept das gleiche Motto: Wir befinden uns im Zeitalter des Weniger, daher folgen wir statt dem Ideal “weniger ist mehr” eher dem Motto “mehr mit weniger”. Strukturelle Elemente bleiben sichtbar, eine Glasfassade definiert die Hülle des Gebäudes, die Materialien sind rau und direkt, Flexibilität wird zum Funktionsprogramm. Das gilt für beide Projekte.
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Ein paar fixe Fragen zum Schluss – bitte spontan und ohne viel Nachdenken beantworten. Los geht’s!
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Das wollte ich als Kind werden:
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Architekt, obwohl ich damals nicht wirklich wusste, was es bedeutet.
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Der beste Rat meiner Eltern lautete:
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Behandle jeden freundlich und mit Respekt.
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Jemand, von dem ich enorm viel gelernt habe:
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Meine Eltern. Nicht über Architektur, aber über das Leben.
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Mein verkanntestes Talent:
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Ich bin ein sehr empathischer Mensch.
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Etwas, mit dem ich meinen Unterhalt verdienen könnte, sollte es als Architekt mal nicht mehr klappen:
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Projektleiter, obwohl das nicht so viel Spaß macht wie die Aufgabe des Architekten. Wahrscheinlich würde ich am Ende für andere Architekten arbeiten und ihnen helfen, ihre Ideen zu verwirklichen.
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Eine Idee, die ich eines Tages definitiv noch umsetzen werde:
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Jetzt ist die Zeit. Man sollte nicht so sehr an die Vergangenheit oder Zukunft denken.
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Mein guter Rat an jeden der oder die es als Architekt zu etwas bringen will:
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Bleib‘ optimistisch und hartnäckig.
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ROBERTO GONZALEZ
ist eines der Gründungsmitglieder von addenda architects – einem jungen, kollaborativen Architekturbüro aus Barcelona. Das Team aus Anne Hinz, Cecilia Rodríguez, Arnau Sastre, José Zabala und Roberto Gonzalez arbeitet derzeit unter Anderem an den öffentlichen Einrichtungen der Sagrada Familia mit Markt, Bibliothek, Bürger- und Kulturzentrum. Weitere Projekte des Kollektivs sind der Umbau des denkmalgeschützten Casal Sant Jordi - Casa Tecla Sala zum Bürogebäude sowie die Entwicklung von 22 Sozialwohnungen auf Mallorca. Roberto Gonzalez hat Architektur an der ETSAB Schule für Architektur in Barcelona und an der TU Delft in Holland studiert und unter anderem für die Architekturbüros BAAS und GRND82 gearbeitet. An preisgekrönten Projekten wie dem Can Travi Elderly Housing und der Landschaftsgestaltung des UNESCO Weltkulturerbes Hospital de Sant Pau in Barcelona war er als Entwerfer bzw. ausführender leitender Architekt beteiligt.
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Einblicke ins Bauhaus Museum Dessau: Das Exzerpt zu Geschichte und Gegenwart der berühmtesten Architekturschule des 20. Jahrhunderts.
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Text:
Harald Willenbrock
Fotos:
Titelbild: addenda architects, Copyright: Joachim Brohm/VG Bild-Kunst 2021 | Link Film: Bauhaus Museum Dessau | Glaskubus Bauhaus Museum Dessau , Fotograf: Maxime Delvaux | Foyer Bauhaus Museum Dessau, Fotograf: Maxime Delvaux | offenes Foyer Bauhaus Museum Dessau, Fotograf: Maxime Delvaux | Fassade Bauhaus Museum Dessau, Fotograf: Maxime Delvaux | Öffentliche Einrichtungen Sagrada Familia, Rendering addenda architects
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Alles für Ihr Projekt. Alles außer gewöhnlich. Alles aus einer Hand. hager.de/arc
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