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Wie versteht man seine Bauherren, Sebastian Zenker?
Wie entstehen unkonventionelle Entwürfe, wie befreit man sich von Routine und Mainstream-Denke? In unserem out of the box-Newsletter diskutieren wir diese Fragen mit Architekten und Gestaltern.

Sebastian Zenker, Innenarchitekt aus München, gibt Überseecontainern ein neues Leben, setzt auf kooperative
Architekten und weiß, Probleme als Kreativitätsbooster zu schätzen.
Herr Zenker, in den letzten Monaten hatten Menschen coronabedingt mehr Zeit als je zuvor, sich ihre eigenen vier Wände kritisch anzusehen. Wetten, dass Innenarchitekten wie Sie momentan jede Menge zu tun haben?
So ist es, aber das gilt nicht nur für uns Innenarchitekten, sondern beispielsweise auch für Möbel- oder Beleuchtungshersteller. Für viele dieser Branchen war das Jahr der Pandemie das beste ihrer Geschichte. In einer Zeit, in der die Leute nicht in Urlaub fahren können, investieren viele das gesparte Geld gern in ihr Zuhause. Interessant finde ich, dass viele Menschen sich in der Krise überhaupt erstmals mit ihrer persönlichen Wohnumgebung befassen. Bis dato war ihr Zuhause für viele so etwas wie ein Hotel: ein Ort, an dem sie Zeit verbringen. Jetzt aber erleben sie es plötzlich als Rückzugsort und Lebensmittelpunkt. Und damit steigt die Bereitschaft, in ihn zu investieren. Eine Art Rückbesinnung auf die "Häuslebauer" der Wirtschaftswunderjahre.
Betrachten Menschen Innenarchitektur unter Coronabedingungen nicht nur intensiver, sondern auch anders?
Nein, aber sie stellen andere Ansprüche. Bis vor kurzem waren loftartige, möglichst offene Grundrisse gefragt. Heute wünschen sich Kunden daheim mindestens einen Rückzugsort – ein Zimmer, von dem aus man einen Videocall führen oder in dem Kinder spielen können, ohne den Rest der Familie zu stören. Denn neuerdings verbringt man hier ja sehr viel Zeit gemeinsam.
Sie entwerfen ganz unterschiedliche Wohnumgebungen für ganz unterschiedliche Kunden. Wie finden Sie heraus, was für welchen Kunden das Richtige ist?
Als Innenarchitekt muss man in seine Kunden, ihre Vorlieben und ihren Alltag hineinschlüpfen.
Das klingt schlichter, als es ist.
Es ist auch nicht einfach, daher bemühe ich mich, mit neuen Kunden mindestens einen Tag – gern auch mal ein ganzes Wochenende – zu verbringen und mit ihren Augen sehen zu lernen. Wie läuft ihr Tag ab? Haben sie Kinder, besitzen sie einen Hund? Werden in diesem Haushalt die Hemden gefaltet oder gehängt? Wo ist der Kunde aufgewachsen? Wer aus Brasilien stammt, hat meist andere Ansprüche als jemand, der in Bayern groß geworden ist. Wohin reist er, welche Architekten, welche Künstler interessieren ihn? All diese vermeintlichen Details spielen in Summe eine große Rolle. Über die Jahre habe ich mir hier, so bilde ich es mir ein, eine gewisse Menschenkenntnis angeeignet.
Wie findet man heraus, ob man der Richtige für einen Kunden ist – und umgekehrt, ob der Kunde zu einem passt?
Man spürt ja, ob sich Vertrauen entwickelt. Ob man auf einer Wellenlänge schwimmt. Ob man vielleicht sogar ähnliche Vorlieben, Interessen, Helden hat. Niemand arbeitet gern permanent gegen Widerstände.
Haben Sie schon einmal einen Auftrag zurückgegeben, weil es zwischen Ihnen und dem Kunden einfach nicht passte?
Nein. Als Gestalter ist man ja auch Dienstleister und sollte flexibel bleiben, wenn auch sich nicht verbiegen. Entweder man überzeugt den Bauherren von den eigenen Vorstellungen, oder man geht auf ihn zu. Und wenn mein Bauherr nun partout Schnörkel und Glitzer will, versuche ich, das Beste draus zu machen. Ein Kompromiss muss nicht immer Verschlechterung bedeuten. Das einstige Supermodel Cindy Crawford erklärte einmal, es gebe Jobs, bei denen man einfach auch mal an den Scheck denken müsse. Ich würde lügen, wenn ich behauptete, bei mir gäbe es solche
Aufträge nicht. Aber im Gegenzug gibt es immer wieder hochinteressante Projekte mit knappem Budget, die ich mir dank anderer Jobs leisten kann. Es ist eine Mischkalkulation.
Wo und wie arbeiten Sie mit Architekten zusammen? Gibt es da Schnittstellen?
Natürlich, ich versuche immer möglichst früh ins Projekt zu kommen und möglichst intensiv mit den Architektenkollegen zu kooperieren. Schließlich verstehen sie sich ja auf Dinge, die mich überfordern würden. Umgekehrt ist es genauso. Ich bin Diplomingenieur, habe jahrelang in einem Büro mit Architekten und Innenarchitekten gearbeitet und weiß daher um die Stärken beider Disziplinen. Ich bitte die Kollegen daher immer, uns nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu sehen.
Warum wird man eigentlich Innenarchitekt?
Bei uns zu Hause wurde viel Wert auf Stil, Tischkultur und Gestaltung gelegt. Nachdem ich die Berufswünsche Pilot und Feuerwehrmann hinter mir gelassen hatte, war klar, dass ich Grafikdesigner oder Innenarchitekt werden wollte. Ein großartiger Beruf. Wenn man ein Projekt von der ersten Skizze bis zur Planung begleitet und dann eines Tages vor dem realisierten Objekt steht: Das ist immer wieder atemberaubend, zumal wir ganz unterschiedliche Lebens- und Arbeitsräume gestalten. Langweilig wird es jedenfalls nie.
Das Klischee lautet: "Architekten planen für Jahre oder sogar Jahrzehnte, Innenarchitekten höchstens für ein paar Saisons". Was ist da dran?
Einiges, und ich habe auch gar nichts dagegen, dass Innenarchitektur spielerischer betrachtet wird. Hotelzimmer beispielsweise haben eine Halbwertszeit von zehn Jahren, danach werden sie ausgetauscht. Die Geschmäcker ändern sich, die Mode ändert sich, die Gesellschaft auch. Es ist doch schön, wenn man von Zeit zu Zeit seine
Umgebung ändern kann.
Heißt es für Sie eigentlich Interior Designer oder Innenarchitekt?
Designer kann sich jeder nennen, daher: Innenarchitekt. Ich bin sehr stolz auf die technischen Planungen und Leistungen, die wir vom Lüftungssystem bis zur Hauselektrik erbringen. Auf der Baustelle koordinieren und kontrollieren wir die Gewerke ganz genauso wie ein Architekt es tut. Auch wenn man uns mancher immer noch als "Designer- und Dekoschnecken" belächelt.
Gibt es ein Objekt, das Sie gerne einmal ausstatten würden?
Ein Flugzeug. Oder eine Privatyacht. Viele von denen sind äußerlich sehr elegant gestaltet, bei ihrer Inneneinrichtung aber ginge noch einiges.
Welche Materialien setzen Sie bevorzugt ein?
Seit einer Italienreise ist es Naturstein. Und Holz. Beides sind Materialien, die von der Natur geschaffen wurden und sich auf unterschiedlichste Weise bearbeiten und einsetzen lassen. Und je nach Wahl und Einsatz erzeugen sie Wärme oder auch Kälte.
Gibt es eine Epoche, die Sie besonders prägt?
Die Sechzigerjahre. Wenn man vor den Riva-Yachten und Ferraris jener Tage steht oder sich Filme wie "Über den Dächern von Nizza" anschaut, muss man sagen: Dieser lässige Glamour ist uns ein wenig verloren gegangen. Aber wir bemühen uns, ihn zurückzubringen.
Wie viel Dekor, wie viel Funktionalität steckt in Ihrer Arbeit?
Räume dürfen nie nur dekorativ sein, sondern müssen auch im Gebrauch überzeugen. Im Bad beispielsweise vollführt der Nutzer jeden Tag zig Abläufe, die sitzen müssen. Die schönste Badgestaltung macht für ihn wenig Sinn, wenn er erst einmal drei Fächer öffnen muss, um zur Zahnbürste zu gelangen. Genauso verhält es sich in der Küche,
wo das Dreieck Herd-Spüle-Kühlschrank in einem vernünftigen Verhältnis angeordnet werden muss, wenn man beim Kochen unnötige Wege vermeiden möchte. Mit anderen Worten: Funktionalität und Bedienbarkeit eines Interieurs sind mindestens genauso wichtig wie seine Ästhetik.
Sie gestalten den Entwurf, Handwerker führen ihn aus. Ohne die einen ist der andere nichts. Wie und wo findet man gute Handwerker?
Handwerker sind nicht alles, aber ohne sie ist in der Tat alles nichts. Ein Netzwerk guter Handwerker ist für den Innenarchitekten daher essenziell. Man muss sie gut anleiten, mit Respekt behandeln, ihre Leistungen anerkennen und die Zusammenarbeit pflegen. Im Idealfall versteht man sich dann nach einigen Jahren von ganz allein. Ich versuche daher, Kunden im Zweifel immer zu dem besseren, aber etwas teurerem Handwerker zu überreden. Unterm Strich spart man immer Nerven, Nacharbeiten und auch Geld.
Sie haben nach dem Innenarchitektur-Studium an der Hochschule Rosenheim ein Dutzend Jahre für Münchener Innenarchitekturbüros gearbeitet, bevor Sie sich selbständig gemacht haben. Welchem Aspekt des Angestellt-Seins trauern Sie heute noch hinterher?
Die Arbeit einfach mal die Arbeit sein lassen zu können. Nicht alles im Kopf haben zu müssen. Es ist erleichternd, nicht allumfassend verantwortlich zu sein. Aber ich habe es mir ja ausgesucht.
Vergangenes Jahr haben Sie den German Design Award für einen Friseursalon gewonnen, den Sie in ausgediente Überseecontainer gesteckt haben. Wie kamen Sie auf die Idee?
Die Idee kam zu mir. Meine Friseurin fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, für sie im Münchener Werksviertel einen Friseursalon zu bauen. In fünf Jahren soll dort ein Konzerthaus entstehen, es musste also eine Interimslösung sein. Der Gedanke mit den Containern entstand, weil im Viertel alte Überseecontainer herumstanden. Ich mag es, entlang solcher Anforderungen zu arbeiten. Probleme kitzeln die Kreativität.
Ein paar fixe Fragen zum Schluss – bitte spontan und ohne viel Nachdenken beantworten. Los geht’s!
Das wollte ich als Kind werden:
Pilot. Fliegen ist toll.
Der beste Rat meiner Eltern lautete:
Mach‘ das, was du gut kannst.
Jemand, von dem ich enorm viel gelernt habe:
Mein Vater. Er ist handwerklich begabt, gut in seinem Beruf, ein Vorbild in vielerlei Hinsicht.
Mein verkanntestes Talent:
Meine Fähigkeit, mich auch im größten Chaos zurechtzufinden.
Etwas, mit dem ich meinen Unterhalt verdienen könnte, sollte es als Architekt mal nicht mehr klappen:
Als Piano-Barmusikant.
Eine Idee, die ich eines Tages definitiv noch umsetzen werde:
Ein Haus für mich bauen.
Mein guter Rat an jeden der oder die es als Architekt zu etwas bringen will:
Finde Deinen eigenen Stil. Und dann verwirkliche ihn mit aller Kraft.
 
SEBASTIAN ZENKER
Der Münchener Innenarchitekt hat sich mit seinem Team auf Residential- und Hospitality-Objekte spezialisiert. Momentan arbeitet der 38-Jährige an diversen Privathäusern und Chalets – und überraschenderweise auch an zwei Hotelprojekten. "Das eine eröffnet Ende 2021, das andere ist coronabedingt um ein Jahr geschoben worden. Aber Gott sei Dank wird es trotz Pandemie realisiert."
 
 
Berker R.8 –  Sebastian Zenker über feine Unterschiede und subtile Details.
Berker R.8 – das extraflache Schalterprogramm für höchste Designansprüche.
Text:
Harald Willenbrock

Fotos:
Portrait: Sebastian Zenker, Fotograf: Ortwin Klipp | Studio Sebastian Zenker, Fotograf: Ortwin Klipp | Esszimmer und Arbeitszimmer im Apartment Bogenhausen, Fotograf: Ortwin Klipp | Küche im Apartment Bogenhausen, Fotograf: Ortwin Klipp | Ess- und Wohnbereich im Apartment Dorotheenstadt, Berlin Renderings: Sebastian Zenker inhouse | Container-Friseurladen Cut & Heroes im Münchener Werksviertel, Fotograf: Ortwin Klipp

Video:
Daniele Manduzio

 
 
Alles für Ihr Projekt. Alles außer gewöhnlich. Alles aus einer Hand. hager.de/arc
 
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